Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
liegt eine Zitrone. Sei so nett und schneide ihr den Hals ab.«
    »Wo hast du denn die Austern her?« fragte er, während er die Zitrone in vier Schnitzel schnitt und auf die Anrichteplatte legte.
    »Die Leute sprechen englisch. Ich habe mich unter der eingeborenen Bevölkerung durchgefragt und nicht nur IKEA- Technik gelernt, sondern auch erfahren, daß ihr Schnaps nur in bestimmten, von der Regierung kontrollierten Geschäften kaufen könnt und daß Austern einer bestimmten Qualität nur in der Markthalle von Östermalm zu haben und erschreckend teuer sind, obwohl ich als naive Amerikanerin den Wechselkurs noch nicht begriffen habe. So, jetzt ist es soweit!«
    Er hatte die Champagnerflasche geöffnet und goß ein, ohne seinen Widerwillen zu zeigen; er würde also nach Alkohol riechen, wenn er zu Eva-Britt nach Hause kam. Obwohl sie dann schon schlafen mußte.
    Sie legte zwei amerikanische Austerngabeln auf den Tisch, und als er sie erstaunt und fragend ansah, erklärte sie mit einem Achselzucken, die gehörten zu ihrem amerikanischen Erbe. Sie habe sie im Koffer mitgenommen.
    »Komische Sachen hast du an«, sagte sie nach einer Weile, nachdem sie einander zugeprostet und ein paar Austern geschafft hatten, »bekannt, aber komisch. Ich meine, sind San-Diego-Klamotten hier oben am Nordpol nicht exotisch?«
    »Nun ja… heute abend habe ich sie tatsächlich gebraucht, sie gehörten zu…«
    Er bremste sich gerade noch rechtzeitig, bevor er ihr automatisch irgendeine Geschichte auftischte.
    »Es ist so«, fuhr er entschlossen fort. »Als ich vorhin durch die Tür kam, war ich drauf und dran, dich anzulügen. Es fehlte nur noch so viel.«
    Er zeigte einen Zentimeter zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Das habe ich dir angesehen«, stellte sie fest, warf den Kopf in den Nacken und verschlang eine Auster. »Ich habe es gesehen und dich deshalb gebremst.«
    »Ich muß irgend jemandem die Wahrheit sagen können.«
    »Lügst du so verdammt viel? Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
    »Ja. Ich belüge meine Vorgesetzten, ich belüge meine Untergebenen, ich belüge, äh…, meine Frau, ich biege das Recht zurecht, lüge arme mißhandelte Verbrechensopfer an, und außerdem bin ich untreu.«
    »Ja, das bist du. Doppelt untreu.«
    »Ja. Aber so kann es nicht weitergehen.«
    »Nein. Und was gedenkst du dagegen zu unternehmen, abgesehen davon, daß du mir die Wahrheit sagst? Ist es irgendeine besondere Wahrheit, die du mir jetzt verraten willst? Wenn du willst, fliege ich wieder zurück in die USA. Das hier war vielleicht nicht der allerbeste Einfall. Möchtest du das?«
    »Nein. Nein, das will ich nicht, und übrigens weiß ich gar nicht, was ich will. Glaub nur nicht, daß ich etwas bereue, etwa das vorhin. Ich bereue es nicht, bin aber auch nicht gerade stolz auf mein Verhalten, falls du verstehst, was ich meine.«
    »Aber ja. Ich habe mich vielleicht idiotisch verhalten, konnte aber nicht anders. Ich wollte auch nicht anders, und alles andere wäre schlechter gewesen, als es nicht zu tun. Außerdem muß ich in jedem Fall in die USA zurück.«
    Bei diesen Worten lächelte sie plötzlich geheimnisvoll, und damit war die Stimmung gebrochen, da er ihr ansah, daß das, was sie sagen wollte, etwas anderes war als das Gefährliche, das sie soeben um ein Haar berührt hätten.
    Bei IBM hatten sie es für selbstverständlich gehalten, daß sie sowohl Arbeitswie Aufenthaltserlaubnis besaß. Sie selbst war davon ausgegangen, daß sie als Bürgerin der freien Welt reisen konnte, wohin sie wollte, und arbeiten konnte, wo sie wollte. Jetzt hatte sich alles als etwas komplizierter erwiesen. Natürlich hatte sie jetzt einen Job, und die Wohnungsfrage war auch geklärt, außerdem konnte sie als weiße Kaukasierin und westliche Frau durchgehen, weshalb Aufenthaltserlaubnis und so weiter im Grunde kein Problem waren. Allerdings war es so, daß man diese Genehmigungen aus unerforschlichen bürokratischen Gründen in seinem Heimatland beantragen mußte. Es war nicht möglich, im Verwaltungszentrum Schwedens darum zu ersuchen, man mußte zurück in die USA und dort einen Antrag stellen. Um dann mit den entsprechenden Stempeln im Paß triumphierend zurückzukehren.
    »Ich muß also über New York fliegen«, sagte sie, »und dort ein paar Formulare ausfüllen. Bei IBM geht man davon aus, daß die Prozedur nur etwa eine Woche dauert, und man wird mir den Job eine Zeitlang freihalten. Beide Parteien würden aber gegen die Gesetze verstoßen, wenn ich auch

Weitere Kostenlose Bücher