Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Sie lag mit der Nase an seinem Hals, so daß er ihren Atem spürte. Er registrierte jeden Atemzug, von ihrer Atemlosigkeit bis hin zu den regelmäßigen, fast einschläfernden Lauten. Unter den wechselnden Abläufen im Gehirn mit den Bildern von Kalifornien und den Stranden, der Sonne und der Phantasie bis hin zu dem kahlen Zimmer und dem IKEA-Bett und der Wirklichkeit unterschied sich Traum nicht von Wirklichkeit. Alles verschmolz in ihrem Atem an seinem Hals.
    »Okay, jetzt können wir reden«, sagte sie plötzlich. Sie richtete sich auf einem Ellbogen auf und strich ihm vorsichtig verschwitztes Haar aus dem Gesicht. »Verstehst du dich darauf, Betten zusammenzubauen?«
    »Mhm, vielleicht. Denkst du an die Beine?« erwiderte er fast im Halbschlaf, doch dann schlug er die Augen auf, wischte sich mit den Handflächen übers Gesicht und konzentrierte sich darauf, in die Wirklichkeit zurückzukommen. Er sträubte sich mit aller Macht dagegen, auf die Uhr zu sehen.
    »Erste im Bad«, sagte sie fröhlich, sprang geschmeidig aus dem Bett und war verschwunden.
    Er sah auf die Uhr. Es war halb eins, deutlich und unerbittlich halb eins. Er erhob sich langsam, bis er halb saß, und betrachtete die Beine des Betts, die auf dem leeren Fußboden in einem Plastikbeutel lagen. Im Grunde brauchte er einen Schraubenschlüssel. Er wühlte in seiner Jackentasche, bis er seine Nachbildung des schweizerischen Armeemessers fand, das weniger, doch dafür merkwürdigere Werkzeuge hatte als das Original. Es war hauptsächlich eine Mischung von Einbruchs und Mordwerkzeugen, doch da war auch ein Instrument, für das er bisher noch keine Verwendung gefunden hatte, das sich aber als provisorischer Schraubenschlüssel verwenden ließ.
    Er stand schnell auf, kippte das Bett auf die Seite, machte die zweite Stehlampe an und riß die Plastikverpackung mit den Beinen darin auf. Er lächelte über den zweiten Kontakt dieses Tages mit IKEA. Diesmal stimmte alles mit der Tüte und den Teilen, die festgeschraubt werden sollten. Es fehlte auch keines der vorgebohrten Löcher. Als sie wiederkam und sagte, das Bad sei jetzt frei, stand das Bett fertig montiert und frisch bezogen da. Das Fenster war geöffnet, und er hatte seinen Collegesweater übergestreift.
    »Komm in die Küche, wenn du fertig bist«, sagte sie und zog ihren weißen Bademantel an, den sie entweder gekauft oder im Grand Hotel gestohlen hatte. Wahrscheinlich hatte sie ihn gekauft.
    Als er im Badezimmer stand, versuchte er bewußt, nicht in den Spiegel zu sehen. Doch es war natürlich unvermeidlich, und so beugte er sich mit den Händen auf dem Waschbecken vor und betrachtete forschend sein allmählich kühler werdendes rotes und zerzaustes Ich. Es war eine Mischung aus Scham und Faszination. Die Scham war selbstverständlich, und die Faszination beruhte darauf, daß das, was auf dem IKEA-Bett geschehen war, noch in ihm war, in dem Blick, den er sich im Spiegel zuwarf.
    Er duschte schnell und eiskalt und trocknete sich mit einem IKEA-Badetuch ab, das glänzend aussah und auf der Haut ausglitt und nur mit Mühe Wasser aufnahm. Dann ging er schnell ins Schlafzimmer zurück und zog sich an. Ihm fiel ein, daß er sich kämmen mußte, bevor das Haar trocknete, denn sonst würde es wie ein allzusehr zerzaustes Indiz für Untreue aussehen. So ging er wieder ins Badezimmer und brachte das Haar mit Hilfe einer Haarbürste, die er im Badezimmerschrank fand, notdürftig in Form. Damit war der Schuldbeweis verschwunden. Anschließend ging er in die Küche. In der Tür blieb er wie angewurzelt stehen.
    Sie hatte einen IKEA-Tisch und zwei IKEA-Stühle gekauft.
    Sie hatte das wahrscheinlich als exotischen schwedischen Bauernstil in Kiefer empfunden. Auf dem Tisch standen eine Flasche Champagner, zwei hohe, achteckige Champagnerkelche, wahrscheinlich von IKEAs Grabbeltisch, und in der Mitte eine große Schale mit Austern.
    Sie stand an der Spüle und öffnete schnell und mit geübten Griffen die letzten Austern des Haufens; sie mußte zwei Dutzend gekauft haben.
    »Wie du weißt, gibt es hier in Schweden kein Meerrettichchili«, sagte er. Seine Verblüffung war seiner Stimme noch anzumerken.
    »Ich weiß«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen, da sich das Austernmesser in einer besonders rauhen Schale verfangen hatte. Es müssen französische Austern sein, Bélon, dachte er. »Vergiß aber nicht, daß ich ausgewandert bin. Man muß die fremde, aber unterlegene Kultur akzeptieren. Im Kühlschrank

Weitere Kostenlose Bücher