Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
stellte Rune Jansson fest.
Es war spät, und er war müde, aber Kapitän Seebärs Entdeckung hätte selbst den müdesten Polizisten munter gemacht.
Bis jetzt sei es recht einfach gewesen, behauptete Kapitän Seebär, ohne daß Rune Jansson entscheiden konnte, ob das ironisch gemeint oder aufrichtig war. Wenn sie jedoch die Erkenntnisse aus Göteborg mit den Kriegstagebüchern in Ed und den persönlichen Erinnerungen des alten Flüchtlingspolizisten zusammenlegten, war es am Ende sogar leicht, das exakte Datum herauszubekommen.
Oberwachtmeister Jubelius hatte also persönlich die beiden Männer des Widerstands, vielleicht auch Spione, aber das war zu der Zeit wohl egal, nach Ed verfrachtet, wo der für die Sicherheit zuständige Offizier die beiden von der Polizei übernommen hatte. Es hatte eine kleine Kabbelei deswegen gegeben, aber der fragliche Offizier, er hieß Oxhufvud, hatte offenbar schnell und auf eigene Faust gehandelt, als er die letzte Transportstrecke über die Grenze zur »Polizei« übernahm, was in diesem Fall entweder norwegische Quisling-Polizei oder Gestapo bedeutete.
Ed war also der Schauplatz des vollendeten Verrats gewesen. Die Täter waren also irgendwie mit Ed verbunden, was schon damals zu zwei Morden geführt hatte. Offenbar aber auch achtundvierzig Jahre später.
Der General af Klintén war ja sehr sichtbar beschuldigt worden, etwas mit Ed zu tun zu haben.
Es gab aber keine Verbindung zwischen af Klintén und von Otter, Oxhufvud, Jubelius und diesem Bootsmann Andersson. Alle ließen sich irgendwie miteinander verbinden, nur af Klintén nicht.
Das war das eine Problem, das sich zumindest nicht an diesem Abend lösen ließ. Das zweite Problem betraf das Motiv.
Norweger werden 1942/1943 von schweinischen Schweden ermordet, die sich dazu zwar der Gestapo bedienen, aber es sind doch die Schweden, welche die Schuldigen sind. Daß einige der Schuldigen schon während des Krieges ermordet werden, ist nicht schwer zu verstehen. Aber 1990?
»Eine Spionagegeschichte oder so etwas kann es ja kaum gewesen sein«, überlegte Rune Jansson. »Ich bin zwar kein Spionageexperte, aber solche Dinge sind ja irgendwann mal der Schnee von gestern. Fünfzig Jahre danach kann man so etwas doch nicht mehr für geheim erklären. Glaube ich zumindest.«
»Nee. Aber irgend jemand ist so teuflisch wütend geworden, daß sich seine Wut nicht mal nach fünfzig Jahren gelegt hatte«, dachte Kapitän Seebär laut.
Es wurde eine Zeitlang still im Raum. Die beiden Männer waren als letzte in der Abteilung, und draußen wurde es langsam dunkel. Beide wollten bald nach Hause und erklären, warum sie nicht zum Essen gekommen waren. Dort unten rückten zwei Wagen mit eingeschalteten Sirenen und Blaulicht aus, das sich in den Hausfassaden auf der anderen Seite spiegelte, so daß schwache blaue Blitze in den Raum drangen. Natürlich irgendeine neue Scheiße für das Gewaltdezernat, da zwei Wagen losfuhren. Eine geprügelte Ehefrau, Streit unter Ausländern oder etwas ähnlich Düsteres.
»Warum wird man so verteufelt wütend über etwas, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist, daß es nach fünfzig Jahren noch nicht vorbei ist«, sagte Rune Jansson schließlich. Er sehnte sich nach Hause, wollte aber trotzdem noch eine Weile sitzen bleiben. Gerade jetzt waren Ideen nötig.
»Weil irgend jemand meint, daß gerade diese Morde sich nicht entschuldigen lassen. Andere Morde während des Zweiten Weltkrieges hat man vergessen können, aber die hier nicht«, fühlte Kapitän Seebär vor, worauf sich erneut Schweigen auf das Zimmer senkte.
»Aber wenn es irgendeine persönliche Rache wäre, also trotz allem ein paar normale ehrliche Morde mit normalen Motiven, wäre der Täter oder wären die Täter ja mit einem Krückstock bei Klintén reingetapert. Die Art der Tat deutet aber nicht darauf hin.«
»Nein«, sagte Rune Jansson zögernd, da er ahnte, daß er in der Nähe einer Idee war. »Die Täter sind keine achtzig. Die haben wahrscheinlich Personen ermordet, die sie noch nie gesehen oder gekannt hatten. Ich denke an den Altersunterschied. Von was für Leuten reden wir also?«
»Ja, das ist schon einige Überlegung wert«, entgegnete Kapitän Seebär und stand auf. Er streckte seinen gewaltigen Leib zur Zimmerdecke, die er fast erreichte.
»Das bietet Stoff zum Nachdenken bis morgen. Mindestens. Wie es scheint, werden wir die Militärs aber doch um etwas Hilfe bitten müssen.«
»Du meinst wegen Oxhufvud und dem
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