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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Zeiten.
    Der Abendzeitungsreporter sah auf die große Zentralredaktion hinaus, in der alle Kollegen arbeiteten, die kein eigenes Zimmer hatten, aber danach strebten, eines Tages eine Position zu haben wie er selbst. In der Redaktion wurde seit einiger Zeit böse getuschelt, er scharwenzele nur noch unter Politikern herum und spiele den dicken Maxen, ohne richtig zu arbeiten, und so weiter. Die sollten nur ahnen, was hier vielleicht in Bewegung war.
    Wennström ließ sich das gesamte verfügbare Archivmaterial über die Justizministerin heraufbringen. Unter anderem war sie in der Sowjetunion geboren, Estin oder Lettin.
    Joar Lundwall und Åke Stålhandske wollten fast schon aufgeben. Sie waren darauf trainiert, nicht aufzugeben, und psychologisch sehr gut darauf vorbereitet, daß gerade bei solchen O- perationen typischerweise nichts geschah. Trotzdem. Sie hockten in ihrem Wohnwagen in einer Querstraße des Drammensveien in gutem Hörabstand von der Frederik Stangs Gate 31 B. Es war eine einfache Sache gewesen, zusammen mit diesem nervösen Norweger in die Wohnung einzudringen und das Telefon zu präparieren. All diese Dinge hatten sie schon am ersten Tag erledigt.
    Seitdem hatten sie aber nur warten und sich ein paar triviale Telefongespräche mit einer alten Mutter und mit einer Hure anhören müssen, die offenbar Telefonsex anbot. Sie säuselte dem Kerl Schweinereien ins Ohr, während er immer mehr keuchte. Åke und Joar hatten besprochen, ob sie solches Material überhaupt archivieren sollten, am Ende aber entschieden, ein einziges dieser Gespräche aufzunehmen.
    Da der Mann allein in der Wohnung war und niemand ihn besuchte, waren nur die Geräusche des Fernsehers zu hören, von Oslos Lokalrundfunk, und der Bewegungen des Mannes in der Wohnung. Sonst wurde nichts registriert.
    Sie hatten versucht, sich in die Lage des Mannes zu versetzen. Vernünftig wäre es ja, mehrere Jahre nicht über das zu sprechen, was er miterlebt hatte, mit niemandem. Und schon gar nicht am Telefon.
    Es gab noch eine andere Möglichkeit. Daß er Alleintäter war und folglich mit niemandem diskutieren konnte. Die beiden Morde waren zwar sehr unterschiedlich ausgeführt worden, mit ganz verschiedenem Temperament. Vielleicht war es so, daß der Mann sich abreagiert hatte, seine schlimmsten Haßgefühle bei af Klintén losgeworden war und die Sache nur noch zu Ende bringen wollte, als von Otter an der Reihe war.
    Hestenes kam immer sporadischer bei ihnen vorbei, und Carl wollte nur noch dann von ihnen hören, wenn sich etwas Neues ereignete, denn er war offenbar sehr mit allem beschäftigt, was er noch aufzuarbeiten hatte, ob es nun um die Monatsberichte an den Oberbefehlshaber oder sonst etwas ging.
    Joar Lundwall und Åke Stålhandske waren darauf trainiert, einander nicht auf die Nerven zu gehen. Trotzdem taten sie es. Einmal kam es sogar so weit, daß sie Automatik einschalteten und in der Sommernacht einen Spaziergang machten, um die Sache auszudiskutieren.
    Natürlich geschah es genau da.
    Als sie zum Wohnwagen zurückkamen, lief die Unterhaltung offenbar schon recht lange, da die beiden Männer aufgeregt waren.
    »Es ist Wahnsinn, daß wir uns gegenseitig besuchen. Und ich will nicht, hörst du, ich will nicht, daß wir noch mal so eine Dummheit machen!« war das erste, was sie hörten.
    Åke Stålhandske kontrollierte sofort, ob die Bänder sich noch drehten. Sie hatten sich automatisch in Gang gesetzt, als die Geräusche in der Wohnung einen bestimmten Pegel überschritten. Und da die beiden Männer den Fernseher eingeschaltet hatten, um nicht abgehört werden zu können, und sich dann draußen in den Flur gesetzt hatten, wo sich das Telefon mit Mikrophon und Sender befand, war der Empfang erstklassig.
    Der Streit endete damit, daß sie Gespräche dieser Art »da oben« während des Urlaubs führen könnten, und zwar »nächste Woche«. Draußen am Meer könne man sich immerhin miteinander unterhalten, ohne abgehört zu werden, zumindest im Bootshaus. Und bei den unbewohnten Weiten da oben könne niemand in die Nähe des Bootshauses kommen, ohne entdeckt zu werden. Doch künftig keine Gespräche dieser Art, es sei denn, unter den genannten Bedingungen.
    Nachdem der unbekannte Besucher gegangen war, stürzte Joar Lundwall heraus, um noch rechtzeitig zur Haustür zu kommen und sich an den Fremden anzuhängen, während Åke Stålhandske die Bänder zurückspulte, um zu erfahren, worum es ging.
    Als Joar Lundwall eine Viertelstunde

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