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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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worauf es in solchen Fällen ankommt. Nämlich auf dich und Joar.«
    »Ich komme im Trainingsanzug von der Küstenjägerschule angelaufen? Was soll ich dort übrigens unterrichten?«
    »What do you think, sucker?«
    »Nahkampf.«
    »Nun ja. Nahkampf.«
    »Das wird nicht leicht.«
    »Nein, ich weiß. Ich setze aber voraus, daß Kapitänleutnant Stålhandske begreift, daß es nicht beabsichtigt ist, die Schüler totzuschlagen.«
    »Ja. Wie machen sich übrigens unsere Neuen?«
    »Du meinst in San Diego?«
    »Ja.«
    »Bisher gut. Einer von ihnen ist übrigens Halbitaliener, zweisprachig. Wie du weißt, fliege ich bald zu einer Inspektionsreise rüber.«
    »Teufel, wie du mich hereingelegt hast, als du damals auftauchtest. Ich war so gottverdammt sicher, du seist Amerikaner.«
    »Auf gewisse Weise sind wir das auch, Orca. Diese fünf Jahre machen einen irgendwie zum Amerikaner. Daran kommen wir kaum vorbei.«
    »Bei mir ist das nicht so. Ich werde nie etwas anderes sein als ein Finnlandschwede.«
    »Wieso?«
    »Weiß nicht. Es liegt nicht daran, daß ich etwas gegen amerikanischen Football oder Hamburger mit Käse oder so was hätte. Aber es hat etwas mit Familie und Geschichte und solchen unbestimmbaren Dingen zu tun. Ich habe gestern zum ersten Mal seit langer Zeit meinen Vater wiedergesehen.«
    »Ach, wie schön. Wie geht’s dem Alten?«
    »Nun, wie immer, würde ich sagen. Finnlandschwedischer Kleinadel, weiße Leinenservietten, na ja, du weißt schon, und erst spät am Abend etwas mehr Schnaps, aber dann muß man saufen wie ein ganzer Mann. Und dann holte er sein Freiheitskreuz raus, und dann schlief er ein. Ich befestigte ihm das Freiheitskreuz an der Brust und trug ihn dann ins Bett.«
    Carl schwieg eine Zeitlang. Åke Stålhandske war kein Vielredner, und dies war vermutlich einer der längsten zusammenhängenden Berichte, die er je von Stålhandske erhalten hatte. Aber da war so etwas wie ein Unterton. In den Worten lag mehr, als diese ahnen ließen.
    »Was möchtest du sagen, Åke?« fragte Carl mit unbewußt gesenkter Stimme.
    »Nicht sehr viel. Nur, daß ich den Alten bewundere. Er schlug sich erst für die Freiheit, dann weigerte er sich, für die Nazis zu kämpfen, und das trotz der Sache Finnlands und allem anderen. Ich bereue nicht, daß diese Nazibrut was auf die Schnauze gekriegt hat.«
    »Hm«, sagte Carl. »Das ist keine politische Frage, sondern eine praktische, taktische. Gegenwärtig sind wir in Schweden nur drei qualifizierte Operateure. Mit etwas Glück haben wir in ein paar Jahren fünf. Es geht um Osteuropa. Finnland grenzt an Osteuropa. Wir werden dich immer brauchen.«
    »Im Augenblick aber nicht?«
    »Nein, im Augenblick nicht. Was gedenkst du mit unserem Vorschlag zu tun?«
    »Ich werde meine jungen Küstenkollegen behutsam behandeln«, sagte Åke Stålhandske. Er erhob sich und deutete einen amerikanischen Gruß an, bevor er ohne ein weiteres Wort den Raum verließ und leise die Tür hinter sich schloß.
    Carl blieb reglos sitzen und kaute auf einem Bleistift herum.
    Es schmerzte ihn. Auch mit einer Beförderung zum Kapitänleutnant würde Åke Stålhandske seine Versetzung natürlich als Degradierung empfinden. Er war ein Vollblutkämpfer, da gab es keinen Zweifel. Bei bestimmten Dingen, die mit dem Geheimdienst zu tun hatten, sprach sein Aussehen gegen ihn. Er war ein Mann, der selbst einem Wrestler wie Hulk Hogan eine Todesangst einjagen konnte, das stand ebenfalls fest.
    Vor einigen Minuten jedoch hatte Carl in einen ganz anderen Stålhandske hineingeblickt, und er war nicht sicher, was er gesehen hatte.
    Åke hatte nicht einmal danach gefragt, ob es für Joar Lundwall irgendwelche Konsequenzen gab. Nein, natürlich nicht. Lundwall hatte in einer recht anständigen und im Augenblick sogar politisch erwünschten Disziplin sein Examen gemacht. Er würde natürlich innerhalb der besonderen Sektion in der EDV-Einheit bleiben und natürlich ebenfalls zum Kapitänleutnant befördert werden. Schlimmstenfalls würden sich die beiden bei einem der obligatorischen Kurse treffen.
    Orca , der Killerwal, als Nahkampfausbilder für junge Küstenjäger. Gott bewahre die Küstenjäger.
    Carl überlegte, ob er seinen Entwurf des Vierteljahresberichts hervorholen sollte, der wieder zu einem Monatsbericht geworden war, fühlte sich im Kopf aber irgendwie leer, als wäre der Kontrast zwischen dem, was der Job tatsächlich war, und dem, was sich Orca davon erhoffte, so groß, daß er sich nicht mehr

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