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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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Meerschweinchen.
    »Das hier ist unser neues Familienmitglied«, erklärte sie.
    »Es wäre fast den Schlangen zum Fraß vorgeworfen worden, aber ich habe es gerettet. Wenn du lieb zu ihm bist, wird es vielleicht dein Spielkamerad.«
    Der Vogel rupfte unter einem Flügel, scheinbar uninteressiert. Eine weiche Daunenfeder fiel auf den Rücken des Meerschweinchens herab.
    Sie füllte seine Schale mit Leber und Eiern. Er flog augenblicklich zu ihr.
    Vorsichtig hob sie das Meerschweinchen hoch, fühlte die kleinen Pfoten auf ihren Fingerspitzen.
    »Du siehst ein bisschen aus wie eine Ratte«, flüsterte sie.
    »Hättest du einen Schwanz, wäre es gar nicht so einfach, dich von einer zu unterscheiden. Ich glaube, so werde ich dich nennen, Rattie, ja, so sollst du heißen. Rattie.«
    Sie setzte das Tier auf dem Fußboden ab, und es lief sofort zum Schrank und versuchte, sich darunter zu verstecken. Der Vogel flog ihm nach. Er war rund um den Schnabel blutverschmiert.
    »Du musst nett zu Rattie sein!«, ermahnte sie ihn. »Ihr sollt euch Freude machen und Gesellschaft leisten, denk daran.«
    Er krächzte kurz, hüpfte ein paar Mal und stubste mit seinem Schnabel leicht gegen das runde Hinterteil des Meerschweinchens. Rattie drehte sich um und stellte sich auf die Hinterbeine.
    »Das wird schon klappen«, sagte sie. »Ihr gewöhnt euch schon noch aneinander.«
    Um acht rief sie im Hotel an. Eine Männerstimme antwortete. Sie fragte nach Hans Peter.
    »Er ist nicht da.«
    »Aber … arbeitet er nicht bei Ihnen?«
    »Doch. Aber im Moment gerade nicht.«
    »Warum denn nicht? Er hat es mir doch gesagt.«
    »Kann ich ihm etwas ausrichten?«
    Sie legte den Hörer auf.
     
    In der Nacht wurde sie öfters wach. Es war immer der gleiche Traum, er kehrte in schnellen Sequenzen zurück, Hans Nästman, mit einem ausdruckslosen und abgemagerten Gesicht. Er stand an ihrem Bett, rührte sich nicht, stand nur da. Als sie versuchte, sich aufzurichten, merkte sie, dass sie mit einem Hanfseil an ihr Bett gefesselt war. Hans Nästman lächelte sein breitestes Lächeln, jetzt ist es aus, Justine Dalvik, Sie werden schön mitkommen, ganz brav und ruhig.
    »Sie können mir gar nichts beweisen!«, schrie sie. »Verschwinden Sie, lassen Sie mich in Ruhe!«
    Er trat einen Schritt näher, seine Hand war ohne Haut und Nägel.
    »Es braucht überhaupt nichts bewiesen zu werden, meine Liebe. Jetzt ist auch noch Hans Peter Bergman verschwunden, das reicht, um Sie zu überführen.«
    Sie erwachte von ihrem eigenen Schrei. Es flatterte und schwirrte im Zimmer, sie machte das Licht an und sah den Vogel in Panik umherfliegen. Im Hellen beruhigte er sich, setzte sich auf seinen Ast, aber geduckt und verängstigt.
    Sie musste aufstehen. Sie musste anrufen, Hans Peter zu Hause anrufen.
    Es war Viertel vor drei. Niemand ging an den Apparat.
     
    Der Tag war still, ohne Sonne, trockene Flocken in der Luft. Sie nahm das Meerschweinchen im Auto mit, wickelte es in eine Decke. Es rollte sich sofort zusammen und schlief ein. Sie betrat die Abteilung und ging zum Schwesternzimmer.
    Dort saß eine Krankenschwester und blätterte in einem Ordner.
    »Guten Morgen. Ich heiße Justine Dalvik, ich wollte meine Mutter besuchen.«
    »Ihre Mutter?«
    »Flora Dalvik.«
    »Oh, Sie meinen Flora. Guten Morgen. Das wird sie freuen, jede Abwechslung ist unseren Gästen hochwillkommen.«
    »Wie geht es ihr?«
    »Richtig gut. Gestern war sie den ganzen Tag über auf.«
    Die Krankenschwester hieß Gunlis. Justine kannte sie nicht. Gunlis schlug den Ordner zu.
    »Ich bin noch ziemlich neu hier, ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind. Ich werde Sie begleiten. Was haben Sie denn da?«
    »Ein kleines Meerschweinchen, das ich gerade geschenkt bekommen habe. Ich wollte es Mama zeigen, ich hoffe, dass nichts dagegen spricht.«
    »Oh, aber nein, im Gegenteil. Es sollte im Pflegebereich etwas menschlicher zugehen, etwas weniger klinisch, wenn ich so sagen darf. Ich selbst habe das immer propagiert, aber es ist schwer, Dinge durchzusetzen, die nicht zu den alltäglich anfallenden Arbeiten gehören. Ich glaube, viele Patienten würden ein Stück Lebensqualität wiedergewinnen, wenn nicht alles so steril wäre.«
    Sie senkte ihre Stimme:
    »Aber so etwas wagt man kaum zu sagen, denn dann riskiert man, seinen Job zu verlieren …«
    »Ist das wahr?«
    »Ja, so etwas kommt gar nicht in Frage. Wo kämen wir denn da hin? Wenn das Personal eigene Ansichten verträte? Darf ich mal sehen,

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