Gute Nacht, mein Geliebter
fragen, steht da und denkt an etwas ganz anderes. Nimm sie zurück!«
»Ich habe sie dir nie aufgeschwatzt, es war einzig und allein deine Idee. Ich habe dir gesagt, dass es nicht gehen wird. Sie ist eben nicht ganz richtig im Kopf, aber du hast mir ja nie geglaubt.«
Nach dem Tod ihres Vaters lebten sie in dem Haus weiter wie bisher. Mit allen Gepflogenheiten, die es auch vorher schon gegeben hatte. Aber vieles war doch anders geworden. Auch wenn Flora weiterhin mit ihrem Mann sprach, sobald sie die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte. Justine konnte ihre Stimme durch die Wand hören, die sie voneinander trennte. Flora sprach laut, machte ihm Vorwürfe, weil er sie verlassen hatte, drohte damit, das Haus zu verkaufen und sich eine Wohnung in der Stadt zu nehmen.
Das sagte sie auch Justine.
»Du darfst nicht glauben, dass wir in alle Ewigkeit hier wohnen bleiben. Im Übrigen ist es nicht normal, dass zwei erwachsene Frauen auf diese Weise zusammenleben. Normalerweise wärst du vor vielen Jahren ausgezogen, du bist auf Sven und mir während unseres ganzen gemeinsamen Lebens gewachsen wie eine Eiterbeule. Dein Vater hat dich behütet, zu sehr behütet, aber jetzt ist er nicht mehr da, jetzt steht es mir frei, dich hinauszuwerfen. Er würde es mir nicht übel nehmen, er würde mir danken, er weiß, dass alles, was ich für dich getan habe, nur zu deinem Besten war. Frauen verstehen so etwas besser als Männer.«
Justine ging ihr aus dem Weg, wenn Flora in dieser Stimmung war. Manchmal nahm sie das Auto und fuhr zu den Steilhängen bei Lövsta hinauf, spazierte auf alten Pfaden, doch niemals lange, die Sorge trieb sie zurück. Was hatte Flora sich ausgedacht? Hatte sie einen Makler kommen lassen, der jetzt in diesem Moment durch das Haus ging und seinen Wert schätzte?
So vergingen mehrere Jahre.
Morgens tranken sie ihren Kaffee, saßen sich am Tisch gegenüber, beide angezogen, keine wollte sich der anderen im Morgenrock zeigen. Es wäre eine Form von Unterlegenheit gewesen. Flora war immer geschminkt, die Augenlider spröde und blau. Mittlerweise hatte sie Probleme, die Schminke gleichmäßig aufzutragen, ihre Augen hatten begonnen, schwächer zu werden.
Sobald es wärmer wurde, zog sie auf den Balkon oder in den Garten hinaus. Sie hatte die Sonne immer geliebt. Sie bat Justine, ihr beim Tragen des Liegestuhls zu helfen, und brachte sie auch dazu, ihr eine Karaffe mit Weißwein und Wasser zu servieren. Mit einer starken Sonnenbrille saß sie dann dort und lackierte ihre Nägel, Schicht auf Schicht.
Den Schlaganfall bekam sie an einem solchen Tag, als sie gerade auf dem Balkon im Liegestuhl saß. Es war ein klarer, schöner Frühlingstag, einer der ersten wirklich warmen. Sie hatte einen Bikini angezogen und erzählte Justine, dass sie ihn schon als junges Mädchen getragen hatte. Immer noch war ihr Körper so niedlich und klein wie der eines Mädchens. Aber es fiel ihr mittlerweile schwer, Treppen zu steigen.
Dann verkündete sie, dass sie einen Termin mit einem Makler vereinbart hatte.
»Es gibt eine Wohnung in der Stadt, am nördlichen Mälar-Strand, die ich eventuell kaufen möchte. Eine Wohnung mit einer großen Terrasse. Ich kann dort sitzen und mich sonnen, du weißt, wie sehr ich die Wärme genieße.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Justine.
»Du musst dir dann auch etwas suchen. Das Haus hier wird nämlich verkauft. Der Makler sagt, dass es eine ganze Reihe von Interessenten gibt.«
Damit versank sie in den Polstern und legte sich zurecht. Die Sonne glänzte auf ihren knochigen, unbehaarten Beine. Sie cremte die Beine ein, dann Bauch und Arme, führte das Glas an die Lippen und trank.
Später erzählte Justine Nathan, dass sie in diesem Augenblick sehr wütend auf Flora war.
»So wütend, dass ich fast in der Lage gewesen wäre, sie zu töten. Ich dachte, dass ich ihr etwas in den Wein tun könnte, irgendein Gift, meine ich. Aber woher bekommt man so etwas? Gift? Geht man einfach in die Apotheke und sagt, man möchte ein paar Gramm Strychnin kaufen? So was benutzen sie doch immer in den Krimis oder nicht? Ich ging in den Garten, setzte mich ins Boot und legte einen richtigen Kavalierstart hin. Papa mochte es nicht, wenn man so startete, es sollte ruhig und gepflegt geschehen, sagte er immer. Aber ich war stinkwütend. Ich bin sicher, dass er mich verstanden hätte, er wollte das Haus doch auch immer behalten, Mama zuliebe. Ich fuhr ein paar Runden auf dem See, und ich war
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