Gwydion 02 - Die Macht des Grals
Heilerin lebte in einer Höhle nahe bei einem Wasserfall, der sich in einen flachen See ergoss. Gwyn zögerte zunächst, bevor er seinen Mut zusammennahm und eintrat.
In der Nähe von Redruth hatte einmal ein verwirrter Eremit gelebt, der sich von allen weltlichen Dingen losgesagt hatte. Er hatte in einem feuchten Erdloch gehaust, wo er sich dem Gebet und der Hoffnung hingab, dass ihn die Bauern der Umgebung mit Nahrung versorgten – was sie natürlich nicht taten. Stattdessen wünschten sie den Faulpelz zum Teufel, der auf ihre Kosten den Weg der göttlichen Erleuchtung gehen wollte.
Cundries Höhle hingegen war vollkommen der Welt zugewandt. Nun, zumindest der Welt des Waldes, in dem sie lebte. Es dauerte eine Weile, bis sich Gwyns Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, doch was sich ihm enthüllte, war nicht die schäbige Behausung einer verwilderten Hexe.
Die Höhle war größer, als man von außen vermutete. Sie hatte an ihrer Ostseite zwei Durchbrüche, durch die das Licht der Morgensonne hereinschien. Unter den Fensteröffnungen stand ein weit ausladender runder Tisch, um den herum sechs Stühle standen. Es schienen also noch andere Besucher den Weg hierher zu finden. Jeder freie Platz, jede Nische wurde genutzt und war ähnlich wie in Merlins Behausung voll gestellt mit allerlei Flaschen, Töpfen und Phiolen, von denen manche aus sich heraus zu leuchten schienen.
Ohne lange darüber nachzudenken, zog Gwyn seine Stiefel aus und stellte sie neben den Eingang. Das Moos, das den Waldboden bedeckte, wuchs auch hier wie ein dichter Teppich und war angenehm kühl. Gwyn hatte das Gefühl, dass seine Füße Wurzeln trieben, denn eine belebende Frische stieg seine Beine empor. Er stieß Rowan in die Seite, der sich daraufhin ebenfalls seiner Schuhe entledigte.
„Ihr seid nach eurer langen Reise bestimmt hungrig und durstig“, sagte Cundrie und schwebte zur Feuerstelle, auf der ein großer Kessel stand, in dem es unablässig zu blubbern schien. Bei dem Duft der Suppe, der sich mit dem der Kräuter mischte, die in Bündeln von der Decke hingen, lief Gwyn das Wasser im Mund zusammen. Sein Hunger verdrängte die Angst vor dieser Frau, die mit ihren ins Gesicht hängenden Haaren wie eine Wasserleiche aussah, die gerade ihrem nassen Grab entstiegen war.
Gwyn und Rowan setzten sich an den großen Tisch. Cundrie brachte zwei Teller und einen Laib frisch gebackenes, duftendes Brot und schnitt es mit wenigen geübten Handgriffen auf.
„Esst Ihr nichts?“, fragte Gwyn, als sie ihnen die Teller gefüllt hatte und dann etwas abseits im Dunkel einer Ecke auf einem Schemel Platz nahm.
„Nein“, sagte sie leise. „Ich habe noch keinen Hunger.“
Gwyn tauchte den Holzlöffel in den Teller und probierte schlürfend die heiße Suppe. Ihr Geschmack war überwältigend und er spürte, wie die Entbehrungen der letzten Tage mit einem Schlag von ihm abfielen, als sich ein warmes Gefühl in seinem Magen ausbreitete. Er brach ein Stück von dem Brot ab und tunkte es in die Brühe.
„Vorzüglich“, murmelte Rowan anerkennend, der seine Portion gierig verschlungen hatte und sich nun noch einmal bediente. „Fehlt nur noch ein Stück Schinken.“
„Kein Fleisch“, sagte Cundrie, die die leise gesprochenen Worte nicht überhört hatte. „Ich töte keine Tiere, um zu leben. Du kannst zu deinem Brot noch etwas Käse haben, wenn du möchtest.“
„Nein, danke“, stotterte Rowan. „Entschuldigt die Unhöflichkeit. Wir sind natürlich dankbar, dass Ihr uns so großzügig bewirtet.“
Cundrie schwieg einen Moment, als habe sie seine Worte nicht gehört. „Gute Manieren“, sagte sie schließlich. „Sie sind selten in diesen Zeiten. Ich verstehe, warum Merlin die Nähe König Arturs sucht.“
„Er ist es auch, der uns zu Euch schickt“, sagte Gwyn.
„Ist jemand krank?“
„Ja. Er wurde vergiftet.“
„Wer?“
„Sein Name ist Lancelot.“
„Eviennes Sohn?“, fragte sie und Bestürzung schwang in ihrer Stimme mit. Es war nun schon das dritte Mal, dass Gwyn von dieser geheimnisvollen Frau hörte.
„Ich habe hier einen Zettel, den mir Merlin mitgegeben hat. Auf ihm befindet sich eine Liste der Zutaten, die er für ein Gegenmittel benötigt.“ Gwyn stand auf und wollte ihn ihr geben, doch sie hob die Hand.
„Lege ihn dort vorne auf den Tisch. Ich lese ihn später.“
Rowan schob den Teller von sich fort und drehte sich zu der Heilerin um. „Warum habt Ihr unsere Pferde gestohlen?“ Gwyn bemerkte die Angst,
Weitere Kostenlose Bücher