Hades - Die Welt der Verbannten
viel zu sehr normalisiert, dachte Carter und begann zu ahnen, daß er nicht so leicht von hier fortkommen würde.
Lui Palatti war der erste, der seinem Unmut Luft machte. Als sie am dritten Tag beim gemeinsamen Frühstück saßen, meinte er:
»Da hätte man uns auch auf der Erde lassen können. Im Gefängnis war es gemütlicher – wenigstens wußte man, wo man wohnte. Ich habe mir unter einer Strafkolonie etwas Anderes vorgestellt. Und was ist das hier? Die Willkür einiger Leute, die Waffen besitzen, mehr nicht. Eine Diktatur, was sonst? Sie nutzen uns aus, werden uns eine Arbeit geben, und dann können wir für sie schuften. Dazu habe ich keine Lust.«
»Du müßtest auch auf der Erde arbeiten«, sagte Carter.
»Was heißt arbeiten? Geld verdienen, ja. Ich habe nie richtig gearbeitet.«
»Deshalb bist du jetzt auch hier.«
Palatti warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Und du bist wohl freiwillig hier, was?« Er lachte spöttisch. »Wir alle haben einiges auf dem Kerbholz, darum hat man uns abgeschoben. Ich dachte, ich finde hier Gleichgesinnte. Und was ist? Die Kontrollen sind noch schärfer als auf der Erde. Ich warte noch einen Tag, dann werden sie mich kennenlernen. Wenn ihr nicht mitmacht, dann versuche ich es eben allein.«
»Was willst du versuchen?« fragte Jenten mißtrauisch. Palatti betrachtete ihn nachdenklich.
»Ich weiß nicht, ob ich es ausgerechnet dir auf die Nase binden soll. Du scheinst doch recht zufrieden mit den Verhältnissen hier zu sein.«
»Warum soll ich mich beklagen? Man bringt uns das Essen, und ich habe einen Platz zum Schlafen. Mehr hatte ich zu Hause auch nicht.«
Einer der Männer, die schon länger auf ihre Zuteilung warteten, mischte sich ein:
»Ich finde, das stimmt. Wir verlieren nichts, wenn wir warten. Ob ich draußen arbeite und für alles bezahlen muß oder ob ich hier Urlaub mache und kein Geld auszugeben brauche – das bleibt sich doch schließlich gleich. Außerdem sind sie ziemlich streng hier. Wer sich gegen die Maßnahmen der Regierung auflehnt, kommt ins Gefängnis oder wird einfach erschossen.«
Carter sagte zu Palatti:
»Du wolltest die Gewaltherrschaft. Jetzt hast du sie. Nur sitzen andere am Drücker, nicht du. Und das ist es, was dich stört.«
»Warte nur, Carter, bis ich am Drücker sitze! Dann wird sich einiges ändern. Ich will zum Beispiel die Burschen wiedersehen, die mich auf dem Transporter zusammengeschlagen haben. In der Hinsicht haben ja wir beide auch noch eine Rechnung glattzumachen. Denke nur nicht, daß ich das vergessen habe.«
»Ich werde es nicht vergessen«, sagte Carter ruhig.
Am anderen Tag kam Palatti nicht mehr dazu, sein verrücktes Vorhaben, dessen Einzelheiten er niemandem mitgeteilt hatte, in die Tat umzusetzen. Mit den Leuten, die ihnen das Frühstück brachten, kamen zwei uniformierte Männer. Sie trugen als Bewaffnung zwei altmodische Revolver. In der Hand hielt der eine einen Zettel.
»Alan Smith?«
Ein Mann starrte sie an. »Ja, was ist?«
»Sie haben sich für den Posten eines Architekten beworben. Ein solcher Posten ist verfügbar. Nach dem Frühstück können Sie das Haus verlassen. Sie werden draußen erwartet.« Er sah wieder auf seine Liste. »Lui Palatti?«
»Hier.«
Der Uniformierte beobachtete ihn voller Interesse. »Sie sind Lui Palatti?«
»Ja. Was dagegen?«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Durchaus nicht. Ich wundere mich nur, daß ein Feinmechaniker so aussieht wie Sie. Ich hätte Sie eher für einen Boxer gehalten.«
Palatti erhob sich drohend.
»Boxen kann ich auch – wenn Sie es ausprobieren wollen …?« Der Mann ignorierte ihn und sah wieder auf seine Liste.
»Rog Carter – für Sie ist auch etwas da.« Er wartete, bis Carter sich gemeldet hatte. »Als Redakteur. Sie verstehen doch was davon, nehme ich an.«
»Ich denke schon«, erwiderte Carter. »Die Zeitungen werden hier nicht anders aussehen als auf der Erde.«
»Nicht viel anders«, bestätigte der Uniformierte und rief noch vier andere Männer auf, darunter auch Jenten, der als Beruf »Lehrer« angegeben hatte. »Nach dem Frühstück also, in einer halben Stunde.«
*
Die Einwanderungskontrolle nahm ihnen zehn Kreditscheine ab und kleidete sie dafür völlig neu ein. Ihren Berufen entsprechend erhielten sie eine Ausstattung und schließlich eine schriftliche Anweisung für den jeweiligen Arbeitgeber und eine Wohnung.
Carter erinnerte Sven Gorm an Kim Block.
»Das haben wir nicht vergessen, Mr. Carter. Sie werden
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