Hades
müsste doch komplett verbrutzelt sein! Was hast du getan?»
«Nichts …» Jakes Stimme klang zittrig. «Ich … ich weiß nicht, was geschehen ist.»
«Lügner!», schrie Asia.
«Ruhe!» Luzifer hob einen beringten Finger. «Arakiel hat nichts damit zu tun. Der Engel scheint sich gegen uns gewehrt zu haben. Seine Kräfte sind stärker, als wir dachten.»
«Und jetzt?», fragte jemand.
Luzifers apathischer Blick traf meinen, und dieses Mal hielt ich ihm stand.
«Arakiel», sagte er tonlos. «Sei so nett und bring Miss Church in eine der Kammern, bis wir entschieden haben, wie es mit ihr weitergehen soll.»
Die Bodyguards drängten mich aus der Arena und in ein Auto, und bevor ich wusste, wie mir geschah, befand ich mich in einem gemauerten Loch, das gerade groß genug für mich war. Wenn ich mich hinsetzte, kratzten meine Ellenbogen an der Wand, und schon nach fünf Minuten verkrampften sich meine Beine. Das waren also die «Kammern», die höllische Version einer Gefängniszelle. Im Vergleich dazu kam mir das Hotel Ambrosia wie das Paradies vor. Hier herrschte absolute Dunkelheit, dafür drangen seltsame Geräusche von schlurfenden Füßen und klappernden Metallrohren hinein, vermischt mit fernen Verzweiflungsschreien. Der modrige Gestank war unerträglich.
Als die Wächter gegangen waren, hörte ich Jakes Stimme durch die Gitter hindurch. Sehen konnte ich ihn zwar nur schemenhaft, aber ich hörte eine Mischung aus Erleichterung und Verwirrung aus seiner Stimme heraus.
«Wie hast du das gemacht?», fragte er leise. Seine Ringe klackerten gegen die Stäbe, als er das Gitter mit den Händen umklammerte. «Sag mir die Wahrheit.»
«Ich glaube nicht, dass ich das war.»
«Verrat das bloß keinem, klar?», sagte Jake scharf. «Schließlich ist es unser einziger Trumpf.»
«Was hast du vor?»
«Ich weiß noch nicht genau, aber ich werde versuchen, meinen Vater zu überzeugen, dich gehen zu lassen. Jetzt, wo er gesehen hat, wie außergewöhnlich du bist, liegen die Dinge vielleicht anders.»
Ich antwortete nicht – die Torturen des Tages hatten mich ausgelaugt.
«Überlass alles mir», sagte Jake.
Gleich darauf hörte ich, wie sich seine Schritte entfernten, und die Dunkelheit umschloss mich.
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24
Tennessee Blues
Nachdem Jake gegangen war, blieb mir nur eine Möglichkeit, mich von meiner körperlichen Notlage abzulenken: Ich schloss die Augen, versuchte alle beunruhigenden Gedanken zu verdrängen und konzentrierte mich auf die Projektion. Verzweifelt drängte ich mein Bewusstsein dazu, diesem albtraumartigen Ort zu entfliehen. Der Übergang gelang mir leicht, als hätte ich im Kopf auf einen anderen Sender umgeschaltet. Wind kam auf, und dann schien auch schon mein Körper von mir abzufallen wie ein Stein, als ich meine geisterhafte Form annahm. Schon bevor sich die Dunkelheit öffnete, hörte ich eine Stimme, zuerst aus der Ferne, dann aber immer deutlicher. Ich spürte das vertraute Vibrieren eines Motors unter mir und den Geruch von Leder und Sandelholz. Diesen Geruch hätte ich überall wiedererkannt. Er gehörte zu einem bestimmten 1956er Chevy Bel Air Cabrio. Sofort spürte ich, wie sich die Anspannung in meiner Brust löste, und atmete erleichtert auf. Ich war in Xaviers Auto.
Als mein Blick klar wurde, erkannte ich, dass ich zwischen Xavier und Molly auf dem Rücksitz schwebte. Sie saßen so weit voneinander entfernt wie überhaupt möglich und starrten aus dem Fenster auf die vorbeirauschende Landschaft. Ivy und Gabriel saßen schweigend vorn, zweifelsohne froh, Abstand zu dem Streit zu haben, der hier hinten tobte. Ich sah hinaus auf den vorbeifliegenden Highway und erkannte, dass ich mich auf unbekanntem Terrain befand. Meine Familie musste Venus Cove schon lange hinter sich gelassen haben. Sie hatte keine Zeit verloren.
«Wir sind bald da», sagte Gabriel und klang dabei wie ein Vater, der versuchte, seine unruhigen Kinder zu beschwichtigen. Seine dunkle, dröhnende Stimme erinnerte mich an den tiefen Akkord einer Gitarre, und mich durchströmte ein heftiges Gefühl der Sehnsucht nach dem Leben, das ich geführt hatte, bevor Jake aufgetaucht war und alles zerstört hatte. «Wir sind schon fast an der Grenze nach Tennessee.»
«Ich verstehe immer noch nicht, warum wir nicht fliegen können wie alle normalen Leute», grummelte Molly.
«Wir müssen nur einen einzigen Bundesstaat durchqueren, dafür lohnt sich fliegen nicht», antwortete Ivy ruhig, wenngleich ich
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