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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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ich. «Am Strand?»
    «Ja, Beth», flüsterte Taylah. «Ich bin zu Hause.»

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    19
    Opfer
    «Ich kann euren Garten sehen», rief Taylah triumphierend. «Ihr müsst dringend mal wieder Rasen mähen!»
    «Siehst du jemanden?»
    «Nein, der Strand ist leer. Aber die Sonne scheint, es ist wolkenloser Himmel, und auf dem Meer treibt ein Segelboot, und … es ist einfach wunderschön. Worauf wartet ihr? Komm rüber, Beth.»
    Ich zögerte. Taylah war durch das Portal gelangt, aber was würde jetzt geschehen?
    «Taylah», rief ich zögernd. «Glaubst du, du kannst einfach da bleiben? Du bist immer noch …»
    «Tot», beendete sie fröhlich meinen Satz. «Das weiß ich doch. Aber das ist mir egal. Lieber bin ich ein Geist und spuke für alle Ewigkeiten frei auf der Erde, als dass ich eine einzige weitere Minute in diesem Moloch verbringe.» Auf einmal trat Panik in ihre Stimme. «O mein Gott, da ist jemand! Ich höre Stimmen!»
    «Ganz ruhig», sagte Tucker. In seinem Gesicht spiegelte sich die Aufregung über unsere Entdeckung wider. «Wahrscheinlich ist es nur irgendein Spaziergänger am Strand. Du bist auf der anderen Seite, schon vergessen?»
    «Ach ja.» Dann klang sie plötzlich besorgt. «So kann ich mich aber nicht blicken lassen. Was, wenn es ein gutaussehender Typ ist?»
    «Selbst wenn, er kann dich ohnehin nicht sehen», erinnerte ich sie.
    «Stimmt», sagte sie leicht enttäuscht. Ich musste lächeln. Nicht einmal die Hölle mit all ihren Gräueltaten war in der Lage gewesen, das Mädchen, das Taylah gewesen war, vollständig zu verdrängen.
    Seit Taylah es auf die andere Seite geschafft hatte, war ich ein bisschen entspannter. Mit viel mehr Ruhe als vorher kniete ich mich wieder vor das Portal und nahm einen erneuten Anlauf, durchzustoßen. Ich sehnte mich so sehr danach, bei ihr zu sein, über das Meer zu schauen und den Wind in meinen zerzausten Haaren zu spüren. Ich würde so schnell wie möglich nach Hause laufen, direkt in die Arme meiner Geschwister. Voll Vorfreude warf ich meine High Heels von mir und versuchte, in das Portal hineinzuspringen. Auf einmal war ich mittendrin: meine eine Hälfte steckte in der Einöde, die andere blickte auf eine Muschel, die aus dem feinen weißen Sand ragte. Ich streckte die Hand danach aus, konnte beinahe die Wärme der Sonne auf meiner Hand spüren und hörte, wie die schäumenden Wellen auf die Felsen schlugen.
    Aber anders als Taylah war ich kein Geist, und so drängte sich das Portal enger um mich, als ob es wusste, dass ich dort nichts verloren hatte. Eine magnetische Kraft, die mich zunächst nach vorne gezogen hatte, schob mich jetzt zurück, aber ich hielt dagegen. Und dann hörte ich das Geräusch, das Taylah so in Panik versetzt hatte. Jemand war in der Nähe. Das Geräusch klang wie ein energisches Schnüffeln und wirkte auf mich eher neugierig als bedrohlich. Plötzlich stieg mir ein vertrauter Geruch in die Nase. Genau diese Bestätigung hatte ich gebraucht. Ich wusste, wer da war, noch bevor sein silbriges Fell in der Farbe des Mondlichts in mein Blickfeld trat. Direkt vor mir tauchten blasse, silberfarbene Augen und eine feuchtkalte braune Nase auf.
    «Phantom», keuchte ich erleichtert. Ich sah nur Ausschnitte von ihm – aber es war mein geliebter Hund. Ich hörte Taylah zurückweichen, offensichtlich machte ihr Phantoms Begeisterung Angst. Sie war noch nie eine Hundefreundin gewesen. Die Gefühle, die mich bei seinem Anblick überwältigten, waren fast unerträglich. Ich streckte die Hand aus, bis sie aus dem Portal herausragte. Außer sich vor Freude schnüffelte er mit seiner feuchten Nase in meiner Handfläche. Ich kraulte ihn hinter den silbernen Ohren, während in meinem Hals ein Kloß in der Größe eines Golfballs aufstieg. Bevor ich etwas sagen konnte, musste ich schlucken.
    «Da bist du ja», murmelte ich. «Ich habe dich so vermisst.» Phantom schien meine Gefühle zu erwidern, denn er begann zu winseln und an dem Portal herumzukratzen, in dem Versuch, sich Zugang zu verschaffen. Da traf es mich plötzlich wie ein Blitzschlag: Phantom konnte nicht alleine am Strand sein. Jemand musste bei ihm sein. Wahrscheinlich war nur wenige Meter entfernt einer der Menschen, die ich liebte, und wahrscheinlich lief er genau auf mich zu. Vermutlich war es Gabriel, er nahm Phantom meistens mit, wenn er am Strand joggte. Ich stellte mir vor, wie sich seine Schritte im Sand anhörten. Wie seine starken, tröstenden Arme mich umhüllten.

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