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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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ihnen sah aus wie ein psychopathischer Serienmörder. Tim studierte Maschinenbau und kellnerte nebenbei in einer Kneipe. Allerdings war er nun wirklich nicht der typische Maschinenbau-Student, von wegen  Karohemd und Samenstau, ich studier Maschinenbau,  sondern sehr locker, wie man an seiner Tanz- und Gesangsdarbietung ja gesehen hatte. Auch gab er sich Mühe, mich zu unterhalten, warum auch immer. Und ich freute mich über seine Aufmerksamkeit.
    Abwechselnd gaben die Jungs Getränke aus und plauderten mit uns. Wir tanzten und hatten Spaß, ohne zu sehr zu flirten. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sie wirklich etwas von uns wollten. Da hätten sie doch sicher mal den einen oder anderen Arm um uns gelegt, aber das passierte nicht. Gott, vielleicht waren sie alle schwul? Na ja, das konnte uns ja dann auch egal sein.
    Etwas peinlich wurde nur der Moment, als ich Tim bei unserem dritten Bier erzählte, dass Lilly und ich beide im Moment unglücklich verheiratet waren. Schließlich war das der Anfang der klassischen »Zu-dir-oder-zu-mir-Situation«. Und er sah mir die ganze Zeit so was von unschwul in die Augen, und äh, noch woanders hin, dass ich den Gedanken mit der Homosexualität auch bald wieder verwarf.
    Also besser, ich klärte die Lage, bevor es noch zu etwas kam, was später alle Beteiligten bereuten. Dann erklärte ich ihm, dass ich noch etwas mehr, Lilly dagegen weniger verheiratet war. Und dass sie aller Voraussicht nach bald überhaupt nicht mehr verheiratet sein würde. Ebenso munter plauderte ich aus, dass sie wahrscheinlich auch einen Freund hatte, den sie aber noch nicht kannte, weil sie sich bis jetzt nur schrieben und erst am Samstag treffen wollten.
    Ich war dermaßen in Plauderstimmung, und es war jemand da, der mir zuhörte, den ich wahrscheinlich eh niemals wiedersah, dass ich auch wirklich aussprach, was mir durch den Kopf spukte. Vielleicht hatte ich auch einfach nur genug getrunken und konnte mich nicht mehr bremsen.
    Tim sah mich mit seinen hellblauen Augen aufmerksam an und wirkte auch sonst sehr interessiert. Geschockt schien er jedenfalls nicht, dass ich verheiratet war. Wir waren ja auch keine zwanzig mehr.
    Er machte wirklich einen sympathischen Eindruck. Und als ich erzählte, dass mein Mann mich wahrscheinlich mit seiner Praktikantin betrog, schrieb er mir seine Telefonnummer auf.
    »Ich hoffe natürlich für dich, dass das nicht so ist. Aber falls doch, kannst du dich ja mal melden«, grinste er.
    Ich fühlte mich ein bisschen geehrt und war andererseits verlegen. Tim war wirklich süß, und obwohl mir klar war, dass er mich nicht als die Frau seines Lebens, sondern höchstens für eine Nacht oder ein paar Nächte in Betracht zog, war das genau die Bestätigung, die ich gebraucht hatte. Trotz schrecklicher Übergangszähne, meiner verhunzten Haare und meiner Figur gab er mir seine Nummer.
    Und die Idee, es Jonas mit gleicher Münze heimzuzahlen, hatte ja auch etwas für sich. Ich würde Tim natürlich niemals anrufen. Trotzdem steckte ich den Zettel mit der Telefonnummer in meine Tasche. Nur für den absoluten Notfall, verstand sich.
    Die Vögel zwitscherten, und das war für eine Oktobernacht wirklich sehr ungewöhnlich. Die ganze Welt stand Kopf. Vielleicht hatten die Wetterexperten doch recht, und eine Sturmkatastrophe nie gekannten Ausmaßes traf uns dieses Wochenende. Oder aber es war einfach früh am Morgen, sodass die Vögel eben schon wach waren. Das Wetter war mir auch relativ egal, als Lilly und ich uns aneinanderklammerten und prustend vor Lachen unseren Reihenhausweg entlangschlichen.
    Vor Holgers Haus wollte ich Lilly auf die Vögel aufmerksam machen und versuchte den Satz zu formulieren: »Hörst du die Vögel?«
    Versehentlich wurde daraus ein »Hörst du, die vögeln?«, und Lilly fragte entsetzt: »Wer?« Unter Prusten, Verschlucken und Schnauben berichtigte ich mich. Es dauerte eine Weile, bis wir nach unserem Lachanfall wieder Luft bekamen und endlich den langen Weg bis zu unserem Reihenendhaus zurückgelegt hatten.
    Vermutlich rissen wir dabei noch sieben Mülltonnen um, zertrampelten alle Beete und kotzten in sämtliche Vorgärten. Aber davon weiß ich nichts mehr.
    So leise wie möglich schloss ich unsere Haustür auf und bugsierte Lilly hinein, die noch etwas orientierungslos vor unserem Haus stand.
    »Ich wollte eigentlich noch mal Henning anrufen«, sagte sie an unsere Haustür gelehnt. »Er weiß ja noch gar nicht, dass ich mich von Holger

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