Haertetest
getrennt habe.«
»Süße.« Ich musste die Augen schließen, weil ich nicht wusste, ob ich sonst würde stehen bleiben können. Mit geschlossenen Augen fühlte ich mich sicherer. Und ich musste scharf nachdenken, was ich ihr sagen wollte. Ach ja, da war es wieder: »Er weiß doch noch nicht mal, dass du verheiratet bist. Ich würde das jetzt nicht machen. Es ist fünf Uhr morgens. Warte, bis ihr euch trefft, dann kannst du ihm ja alles erzählen.« Ich öffnete die Augen wieder. Lilly stand weiterhin, wo sie eben noch gestanden hatte.
»Ja, das mach ich. Du bisss ein Schatz.«
Dann nahm sie mich in den Arm und küsste mich auf die Wange. Ich drückte sie fest und wünschte ihr eine gute Nacht.
»Schlaf gut, meine Süße. Ich bin immer für dich da, okay?«
»Schankeschön.«
Sie torkelte in Richtung Treppe und in ihr neues Zimmer. Ich hatte ihr eine große Matratze bezogen – ein weiteres Bett hatten wir leider nicht –, aber es würde wohl fürs Erste reichen. Wir wünschten uns noch dreimal eine gute Nacht, warfen uns an der Treppe Kusshände zu, sagten uns, wie sehr wir uns lieb hatten, dann war es still.
Ich schenkte mir in der Küche ein Glas Wasser ein. Mann, woher kam dieser Durst? Meine Güte, war ich voll! So viel hatte ich seit Urzeiten nicht getrunken. Das letzte Mal vermutlich lange vor Majas Geburt. Ich hoffte, mein Kopfkarussell würde bald aufhören, sich zu drehen. Zumindest blieben dadurch alle Sorgen so schön weit entfernt, dachte ich und lächelte zufrieden.
»Hi« hörte ich Jonas’ Stimme hinter mir. Ich drehte mich um.
»Hi«, antwortete ich. Angenehm entfernt? Nein, Auge in Auge mit meinen Sorgen. Da standen sie, direkt vor mir. Und hießen Jonas Ahorn.
»Na?«, sagte Jonas und kam einen Schritt auf mich zu, wie ein Jäger auf ein scheues Reh. »War’s schön?«
Ich riss mich zusammen und versuchte, gerade zu stehen und vernünftig zu sprechen.
»Ja, war schön. Wir hatten Spaß.«
Von Tim würde ich ihm natürlich nichts erzählen. Er sollte sich ja nicht unnötig aufregen. Es war nichts gewesen, und soweit ich das jetzt beurteilen konnte, würde auch nichts sein.
»Und was ist jetzt mit uns?«, fragte er betreten. Aha, wie schön, dass es ihn noch interessierte, wie es um unsere Beziehung stand. Das ließ ja hoffen, dass er mich noch nicht ganz abgeschrieben hatte. Mein Gehirn funktionierte noch. Das schöne Partygefühl verschwand allerdings langsam.
Willkommen zurück im richtigen Leben, Sophie. Verdammt. Warum konnte das Leben nicht nur eine Kette schöner und lustiger Ereignisse sein? Warum musste man immer diskutieren, nachdenken, entscheiden, was man sagen und was man fragen sollte? Das war alles so anstrengend. Trotzdem zog ich das jetzt durch.
»Das kommt darauf an, was du mir noch zu beichten hast.«
Auch wenn ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, war ich durch den Abend gestärkt und fühlte mich gewappnet, mir anzuhören, was er mir zu sagen hatte. Aber ich musste mich erst mal setzen. Dann ging es mir eindeutig besser. Mein Glas Wasser stand vor mir und strahlte wunderbare Ruhe aus.
Ich versuchte ihn anzusehen. Mein Kopf fuhr Karussell, aber ich fuhr irgendwie nicht mit. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, was Jonas sagte.
»Sophie, es ist nicht so schlimm, wie du denkst.«
»Das kann ich noch nicht beurteilen, weil ich es ja noch nicht weiß!«
»Okay, wir haben uns geküsst. Sie hat aber angefangen!«
Ich verdrehte die Augen. Mir war auf einmal schlecht. Ich versuchte, das Gefühl runterzuschlucken, das sich von meinem Magen in meinen Hals hocharbeiten wollte. Sie hat angefangen! Ja, klar. Und er hatte sie bestimmt schreiend von sich geschoben.
Jonas kam noch einen Schritt näher und fuchtelte mit den Händen, um seine Worte zu unterstreichen. Ich wusste nicht, ob ich das noch lange aushalten konnte. Er gestikulierte so wild, dass mir allein vom Zusehen noch übler wurde. Wieder schloss ich die Augen. Dafür konnte ich jetzt wieder besser hören, was er mir erzählte. Das war auch nicht gerade toll.
»Wir hatten so intensiv gearbeitet, ich hab ihr viel erklärt, sie kann wirklich einiges von mir lernen. Und als wir endlich mit dem Stück komplett fertig waren, ist es passiert. Wir haben uns umarmt, die ganze Anspannung ist abgefallen, und wir haben wirklich nur ganz kurz geknutscht … Sophie, das ist alles. Ich hab ihr gesagt, dass das nichts wird mit uns und dass ich glücklich verheiratet bin.«
Alles drehte sich. Die
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