Haertetest
Und bestimmt kein gutes! Eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper. Lilly schien im Licht der Kerzen auf einmal leichenblass. Auf der Karte stand »Der Tod«. Und das dazu passende Bild zeigte ein Skelett mit Sense und schwarzer Imperator-Kapuze.
Marie schien das gar nicht zu beeindrucken. »Prima!«, freute sie sich.
»Wieso prima?« Ich verstand die Welt nicht mehr. Tod war doch nicht prima! Darin waren wir uns wohl einig. Lilly war anscheinend zu geschockt, um überhaupt etwas zu sagen.
»Also, ihr beiden.« Marie Mondschein setzte zu einer Erklärung an. Ich wippte vor Aufregung mit meinem Fuß. Was bedeuteten denn jetzt diese ganzen Karten? Lilly knabberte an ihrem Daumennagel.
Mit ihren durchdringenden blauen Augen sah die Wahrsagerin mich an. Oder durch mich hindurch. Oder direkt in meine Seele. Irgendwas hatte sie jedenfalls an sich, dass ich mich sehr beobachtet fühlte. Meine Haut fing an zu kribbeln.
»Ich sehe und fühle Folgendes: Du bist sehr ehrgeizig, sehr perfektionistisch, hast Angst, Fehler zu machen.«
Ich war verwirrt. Ich wollte doch keine Persönlichkeitsanalyse! Liebte Jonas mich oder nicht? Die Frage war doch ganz einfach! Warum war die Antwort es nicht?
Als hätte sie meine Gedanken gelesen – langsam begann ich zu glauben, dass sie das wirklich konnte! –, erklärte Marie: »Antworten auf grundlegende Fragen sind niemals einfach zu geben. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, vor allem nicht in der Liebe. Es gibt viele Farben und viele Grautöne. Du siehst nur die Extreme, Sophie. Lass auch die zarten Zwischentöne zu. Werde etwas sensibler, und geh auch auf deinen Mann ein. Und gib ihm Zeit, dann wird er wieder bei dir sein.«
»Was heißt das? Ich meine, das ist ja nun doch sehr allgemein gehalten!«, platzte ich heraus.
Marie Mondschein guckte etwas verdutzt.
»Also, ich kenne ja eure Situation nicht. Aber du scheinst zu denken, dass er dich nicht mehr liebt.«
Ich nickte.
Sie tippte auf die Karte, die vor mir lag, und dann nacheinander auf eine mir völlig unverständliche Reihe anderer Karten in ihrem System. »Ich sehe aber hier, hier und hier, dass eure Liebe sicher und fest ist.«
Das war ja schon mal schön.
»Trotzdem bist du unglücklich.« Richtig, das wusste ich auch.
»Ich wollte eigentlich wissen, ob er was mit …. äh, mit einer anderen Frau hat.«
Den letzten Teil der Frage flüsterte ich.
Marie sah mir in die Augen und legte ihre Hand auf meine.
»Und selbst wenn! Du darfst das nicht überbewerten! Sei etwas sicherer, was dich selbst betrifft, dann kann dir auch keine Praktikantin das Wasser abgraben!«
Moment mal! Hatte ich was von einer Praktikantin gesagt? Und hieß ihre Antwort nicht, dass er also doch etwas mit ihr gehabt hatte? Sie wandte sich Lilly zu und demonstrierte damit, dass das Thema Jonas für sie abgeschlossen war.
Ich musste das erst mal sacken lassen. Was meinte sie denn damit bloß? Also, er liebte mich. Und es sollte mir egal sein, ob er mit seiner Praktikantin etwas hatte. Damit musste ich mich wohl zufriedengeben. Sie machte nicht den Eindruck, als würde sie sich noch weiter von mir löchern lassen.
»Nun zu dir.« Lilly sah ängstlich drein. Ihre Karte war der Tod. Was auch immer das zu bedeuten hatte, es konnte nichts Schönes sein.
»Der Tod ist eine schöne Karte«, erklärte Marie fröhlich. Ah ja?
»Tod steht immer für einen Abschied, einen Neuanfang und eine Wiedergeburt. Für dich wird sich schon bald alles ändern. Und du wirst sehr glücklich sein.«
Lilly wirkte jetzt ruhig und sehr in sich gekehrt und dabei auf eine sehr gelöste Art entspannt. So betrachtet passte die Karte wirklich wie die Faust aufs Auge. Puh, da fiel mir ja ein Stein vom Herzen.
»Danke«, strahlte Lilly. Dann druckste sie noch etwas herum. »Und, äh, also, ich wollte noch fragen – werde ich vielleicht sogar schwanger?«
Marie lächelte. »Ja, das wirst du. Sogar viermal. Du wirst gesunde Kinder bekommen. Das steht nicht in den Karten. Aber ich fühle es.«
Ich war geschockt. Lilly sollte vier Kinder bekommen? Ein oder zwei waren ja noch okay, aber vier?
Lilly war allerdings überhaupt nicht erschrocken, sondern strahlte auf einmal von innen heraus. Es war, als wäre sie die fünfte Kerze im Raum.
Marie legte ihre Hand auf Lillys. »Aber da ist noch etwas.« Dann machte sie eine lange Pause. Wir warteten. Irgendetwas passierte. Auf einmal hatte ich ein komisches Bauchgefühl. Als ob etwas geschah, das
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