Haertetest
war ein Café in der Ecke, in der wir früher gewohnt hatten. Ich mochte es immer noch gerne und wusste, dass Jessica auch in der Gegend wohnte, weil Jonas das mehr als einmal erzählt hatte. Als ob mich das interessieren würde! Aber immerhin war es eine Info, die ich jetzt gut gebrauchen konnte.
Und wie unterschrieb Jonas seine Mails? Ich dachte nach. Was müsste er schreiben, um sie zu locken, ohne zu viel zu versprechen? Wenn es wirklich nur ein Kuss gewesen war, konnte er nicht »Ich liebe dich« schreiben. Ich wusste allerdings nicht, wie weit sie in ihrem Umgangston miteinander waren.
Ich entschied, mich selbst als Ausrede für seine sachliche Art zu benutzen und fügte noch einen Absatz hinzu: »Bitte antworte nicht. Meine Frau checkt meine E-Mails. Ich lösche diese auch gleich. Ich warte dann dort auf dich.«
Und wie unterschrieb er? Mit LG ? Liebe Grüße? Viele Grüße? Kuss? Ich setzte einfach noch »Dein Jonas« darunter und klickte, ohne nachzudenken, auf Senden.
Schnell löschte ich die Mail noch aus dem Ordner Postausgang. Dann erst fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Ich war bestimmt schon blau angelaufen. Schnell wieder atmen! Ich japste nach Luft. Und ablenken! Ich hatte doch nicht etwa wirklich der Assistentin meines Mannes eine gefakte E-Mail geschrieben? O nein! Ich hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, was Jonas davon halten würde!
Ich loggte mich mit klopfendem Herzen aus seinem Account aus und in meinen eigenen wieder ein. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich war das einfach nicht gewöhnt, solche verbotenen Sachen zu machen. Jetzt hatte ich eine Verabredung mit Jessica und musste Jonas erklären, warum ich morgen Nachmittag, nach dem Treffen im Kindergarten mit der Erziehungshexe, noch nach Hamburg musste und Maja nicht mitnehmen konnte.
Außerdem musste ich darauf vertrauen, dass Jessica aus Angst, von mir erwischt zu werden, nicht antwortete. Vorsorglich müsste ich aber auch verhindern, dass Jonas an den PC ging, um seine Mails abzurufen! Zum Glück hatte er kein Handy mit Internetzugang und seins sowieso verloren. Solange er also zu Hause blieb, konnte ich ziemlich gut darauf achten, was er machte.
Um mich abzulenken und gleichzeitig etwas Sinnvolles zu tun, begann ich, ein paar meiner Kolumnen zu verbessern. Wenn alles gut ging, und Herr Klawes meine Texte erfolgreich anbieten konnte, könnte ich vielleicht schon bald mein eigenes Büchlein in den Händen halten! Motiviert fing ich mit der Arbeit an. Und da ich schon mal dabei war, begann ich auch gleich mit dem Leitartikel für die Januar-Ausgabe von Mütter.
Zwei Stunden später las ich zufrieden noch einmal durch, was ich geschrieben hatte, als das Telefon klingelte. Wer rief so spät noch an, immerhin war es nach halb elf? Das Festnetztelefon lag im Schlafzimmer, also nahm ich ab.
Amelies Stimme klang seltsam nah an meinem Ohr und sehr krächzend, als hätte sie Halsschmerzen.
»Sophie? Ich wollte dich nur eben anrufen. Damit du es nicht am Montag von anderen hörst.«
Sie sprach sehr schleppend, als würde es ihr furchtbar schwerfallen. Was war passiert?
»Ich habe den Vorstand schon informiert, dass ich noch zwei Wochen krankgeschrieben bin. Und dann wiederkomme … Es ist leider – mit dem Baby nicht gutgegangen.« Dann legte sie auf.
Später lag ich alleine im Bett. Meine Haut kribbelte wieder am ganzen Körper. Meine Nerven schienen das alles nicht mehr richtig mitzumachen. Ich hatte letzte Nacht kaum geschlafen, viel zu viel getrunken, mir ging es nicht besonders gut. Der Besuch bei der Wahrsagerin, bei dem ich Lilly so traurig gesehen hatte, und Amelies Anruf hatten mir den Rest gegeben. Sie hatte aufgelegt, bevor ich reagieren konnte.
Es tat mir so unendlich leid für sie.
Aber was konnte ich schon tun, um ihr zu helfen? Nichts. Ich hatte nie eine Fehlgeburt gehabt, Maja war von Anfang an gesund und kräftig gewesen – aber ich kannte genügend Frauen, die ein Baby am Anfang oder sogar am Ende der Schwangerschaft verloren hatten. Eine von ihnen war Lilly.
Obwohl sie sich früh zurückgezogen hatte, schlug ich meine Decke zurück und klopfte noch einmal an ihre Tür. »Lilly?«, flüsterte ich. »Kann ich dich was fragen?«
Durch die Tür hörte ich sie verschlafen grummeln.
Ich deutete das als »ja, natürlich gerne« und betrat ihr Zimmer. Lilly knipste verschlafen ihr Nachtlicht an und setzte sich auf ihrer Matratze
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