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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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Mund oder in der Hand.
    »Gute Nacht, Julia. Hoffentlich schläfst du jetzt gut.«
    Julia nickte und schloss die Augen, Eva stand auf und ging zurück ins Personalzimmer am Ende des Flurs.
    Als sie hörte, wie sich die Tür ihres Zimmers schloss, öffnete sie die Augen und starrte an die Decke. Sie wusste, sie würde nicht schlafen können. Vielleicht würde sie nie wieder eine ganze Nacht durchschlafen. Die Nächte bestanden aus abgehackten, kurzen Schlafperioden, an der Grenze zwischen Schlaf und Wachen.
    Nach einigen Stunden war sie wohl doch eingeschlafen, sie wachte auf, als sie Geräusche aus der Küche hörte.
    Evas Stimme kam von unten, nicht angespannt und besorgt wie in der Nacht, sondern fröhlich plaudernd. Noras Stimme war gedehnt und ärgerlich.
    »Ich habe keinen Hunger, das habe ich schon tausend Mal gesagt! Ihr könnt mich nicht zwingen, euer ekliges Frühstück zu essen, wenn ich keinen Hunger habe! Ich muss kotzen!«
    »Ein bisschen was musst du essen, sonst hältst du die Schule nicht durch. Ein Glas Orangensaft wirst du doch schaffen?«
    Julia zog die Jeans und das T-Shirt an und ging hinunter in die Küche. Nora verdrehte die Augen, als sie Julia sah, sie saß mit überkreuzten Armen am Tisch und weigerte sich, den Saft zu trinken, den Eva ihr hingestellt hatte.
    Julia setzte sich gegenüber und füllte Joghurt in einen Teller und streute dann Müsli darüber.
    Eva lächelte sie an.
    »Wie geht es dir heute? Ein bisschen besser?«
    »Ja, vielleicht.«
    Kricke kam in die Küche.
    »In zwanzig Minuten fahren wir in die Schule, dann müsst ihr fertig sein.«
    Er hatte ein viereckiges Gesicht, kurz geschorene Haare und eine gebieterische Stimme.
    »Spricht hier die Polizei?«
    Nora schaute ihn trotzig an, und Julia bemerkte, dass ein Schatten über Krickes Gesicht fuhr und der Blick sich verfinsterte.
    »Hör zu, spiel dich nicht auf, sieh lieber zu, dass du fertig wirst. Ich werde heute nicht auf dich warten!«
    Er ging schnell aus der Küche, sein Körper war kompakt und durchtrainiert.
    »Er wollte Polizist werden, ist aber nicht angenommen worden auf der Polizeihochschule. Offenbar braucht man dafür Erfahrung, deswegen arbeitet er jetzt hier.« Sie trank einen Schluck Saft und fuhr dann fort. »Er ärgert sich immer furchtbar, wenn man ihn deswegen aufzieht. Blöder Idiot!«
    Das Letzte sagte sie mit einem verächtlichen Blick in die Diele, wo Eva Tess beim Anziehen half.
    Lena hatte Julia alles erklärt. Sie würden jeden Tag mit dem Minibus vom Sonnenblumenhof in die Sonderschule gefahren und um drei wieder abgeholt werden. Zwischen drei und fünf durfte man machen, was man wollte, wenn man keinen Küchendienst hatte, um fünf gab es das gemeinsame Essen.
    »Wir fahren! Kommt jetzt!«
    Krickes Stimme dröhnte durch die Diele, Sussie, die Julia den ganzen Morgen noch nicht gesehen hatte, kam lässig die Treppe herunter.
    »Ja, ja, wir kommen. Schrei nicht so!«
    Tess saß schon im Bus und starrte aus dem Fenster. Ronny stand auf der Veranda und rauchte, aber er drückte die Zigarette aus, als die anderen kamen.
    Die Schule war ein L-förmiger Flachbau hinter dem Nordfriedhof, ein paar Kilometer außerhalb der Stadt. Wenn man auf dem Schulhof stand, konnte man die Gräberreihen sehen. Sie lag mitten in einem Naturschutzgebiet mit Joggingpfaden, die weit in den Wald hineinführten. Das Haus wirkte eher wie eine Vorschule, nur dass es keine Schaukeln und Klettergerüste gab. Hier wurden dreiundvierzig unangepasste Schüler zwischen dreizehn und sechzehn unterrichtet. Es gab zusätzliche Speziallehrer, kürzere Schultage und weniger Hausaufgaben.
    Julia lehnte den Kopf ans Fenster des Minibusses. Die Scheibe kühlte ihre fieberwarme Haut, sie hatte den ganzen Morgen geschwitzt. Sie konnte keinen zusammenhängenden Gedanken denken. Ihr Kopf drehte sich immer noch, und auch ihr Körper war wie abgehängt und gehorchte nicht.
    »Was ist denn mit dir?«
    Kricke sah, dass sie weinte, die anderen waren schon ausgestiegen und liefen über den Hof, sie hatten bestimmt gesehen, dass sie weinte, im Auto sitzen blieb. Aber es war eine unausgesprochene Regel, dass man so tat, als merke man nichts, wenn es jemandem schlecht ging.
    »Ich fühle mich so eigenartig.«
    Sie bemühte sich, normal zu klingen, und hoffte, dass Kricke damit zufrieden war. Seine Lippen waren schmal und angespannt, es sah aus, als wolle er am liebsten ganz schnell weiter und nicht von einem weinenden Kind aufgehalten werden.
    Sie

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