Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Freiheit, denn kein Mensch wird dir je wieder sagen, du darfst nur einen Streifen davon kauen.«
»Cool.« Phillip ist ein verrückter Kerl, dachte Seth feixend. »Wo soll ich unterschreiben?«
Mit einem kleinen Lachen warf Phillip das Kaugummipäckchen wieder auf den Tisch. »Du fängst an zu begreifen. Diese Typen hatten Grips und Wut im Bauch und setzten alles daran, die Leute zu überzeugen und mitzureißen.«
Grips und Wut im Bauch, dachte Seth. Das gefiel ihm, und er wollte es in seinem Aufsatz unterbringen. »Okay. Vielleicht nehm ich Patrick Henry. Er sieht nicht so beknackt aus wie die anderen Typen.«
»Gut. Hol dir Informationen über ihn aus dem Computer. Sicher findest du eine Liste der Bücher, die über
ihn geschrieben wurden. Die druckst du dir aus. Und in der Bibliothek von Baltimore findest du mit Sicherheit mehr Literatur über ihn als in deiner Schule.«
»Okay.«
»Bist du mit deinem Englischaufsatz fertig, den du morgen abgeben musst?«
»Mann, du gibst wohl nie auf.«
»Lass mal sehen, was du zusammengekritzelt hast.«
»Du nervst.« Brummend kramte Seth ein Blatt aus seiner Schultasche und reichte es ihm.
Der Aufsatz trug den Titel ›Ein Hundeleben‹ und schilderte einen Tag im Leben eines Hundes, aus Foolishs Perspektive. Phillips Mundwinkel verzogen sich amüsiert, als er las, welchen Spaß der Hunde-Erzähler daran hatte, Hasen zu jagen, wie sehr ihn die lästigen Bienen ärgerten und was er sonst noch alles mit seinem besten und weisen Freund Simon erlebte.
Der Junge konnte richtig gut schreiben.
Als Foolish sich nach einem langen, anstrengenden Tag endlich auf seinem Bett zusammengerollt hatte, das er großzügigerweise mit dem Jungen teilte, reichte Phillip das Blatt zurück. »Nicht schlecht. Ich glaube, wir wissen jetzt, woher du dein Erzähltalent hast.«
Seths Wimpern senkten sich, als er seinen Aufsatz wieder ordentlich in den Hefter legte und in der Schultasche verstaute. »Ray war ziemlich klug und so, er war ja auch Professor am College.«
»Ja, er war ein kluger Mann. Und wenn er früher von dir gewusst hätte, Seth, hätte er längst etwas für dich getan.«
»Na ja …« Seth zuckte die Achseln in typisch Quinnscher Manier.
»Morgen rede ich mit dem Anwalt. Mit Sybills Hilfe können wir die Formalitäten vielleicht beschleunigen.«
Seth nahm den Bleistift zur Hand und fing an, auf dem Schreibblock zu kritzeln. Irgendwelche Figuren,
Kreise, Dreiecke, Quadrate. »Vielleicht überlegt sie es sich anders.«
»Nein, das tut sie nicht.«
»Das tun die Leute doch ständig.« Er hatte wochenlang darauf gewartet, war jederzeit bereit abzuhauen, falls die Quinns es sich anders überlegt hätten. Als das nicht geschah, fing er an, ihnen zu glauben. Aber er war immer noch auf dem Sprung.
»Es gibt Menschen, die ihre Versprechen halten, egal was kommt. Ray war so jemand.«
»Sie ist aber nicht wie Ray. Sie ist gekommen, um mich auszuspionieren.«
»Sie ist gekommen, um sich davon zu überzeugen, dass es dir gut geht.«
»Jetzt weiß sie es. Also kann sie wieder gehen.«
»Es ist aber schwieriger zu bleiben«, widersprach Phillip leise. »Dazu gehört nämlich mehr Mumm. Die Leute hier reden über sie. Du kennst das doch, wenn die Leute dich schief ansehen, die Köpfe zusammenstecken und miteinander flüstern.«
»Ja. Das sind doch nur Blödmänner.«
»Möglich. Aber es tut trotzdem weh.«
Ja, das wusste Seth. Seine Kritzeleien wurden fahriger. »Nur weil du in sie verknallt bist.«
»Möglich. Sie ist ja auch eine Klassefrau. Aber das ändert nichts an den Tatsachen. Junge, in deinem Leben hat es bisher nicht viele Menschen gegeben, die etwas für dich übrig hatten.«
Phillip wartete, bis Seth den Blick hob und ihm in die Augen sah. »Und bei mir dauerte es eine Weile, vielleicht sogar zu lange, bis du mir nicht mehr schnuppe warst. Ich hab’ getan, worum Ray mich bat, weil ich ihn geliebt habe.«
»Aber eigentlich wolltest du nicht.«
»Nein, ich wollte nicht. Es ging mir auf die Nerven. Du gingst mir auf die Nerven. Aber irgendwann fing ich
an, es genau so für dich zu tun, wie ich es für Ray getan habe.«
»Du hast gedacht, ich bin möglicherweise sein Sohn, und das hat dich gewurmt.«
So viel dazu, dachte Phillip, wenn Erwachsene meinen, sie könnten vor Kindern Geheimnisse bewahren. »Ja. Das war ein kleiner Stachel, den ich erst gestern losgeworden bin. Ich wurde einfach nicht damit fertig, dass Ray meine Mutter betrogen haben sollte und du
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