Hahn, Nikola
Tür auf. Sie
führte zur Dunkelkammer, einem kleinen Raum, in dem allerlei photographisches
Gerät stand. Dahinter befand sich ein weiteres Zimmer, das ebenfalls verdunkelt
war. Hopf betätigte einen Schalter. Gaslüster flammten auf. In der Mitte des
unmöblierten Raums stand ein Steinquader mit aufgeklebten Photographien, die
in Spiegeln an den Wänden und der Decke reflektierten und eine Frau in so
obszönen Posen zeigten, daß Paul Heusohn verlegen den Blick ab wandte.
»Zilly«,
sagte Richard fassungslos.
Karl
Hopf lachte. »Überrascht Sie das, Herr Biddling?«
»Sie
sind ein Schwein, Hopf!« sagte Wachtmeister Baumann.
»Warum?
Fräulein Zilly tut das gern und ganz freiwillig.«
»Es ist
widerlich«, sagte Richard und löschte das Licht.
Es
wurde schon dunkel, als sie die Durchsuchung des Anwesens beendeten. Gefunden
hatten sie nichts. Während der Fahrt nach Frankfurt sprach Hopf kein einziges
Wort, als Richard und Paul Heusohn ihn in die Zelle brachten, lächelte er.
»Das werden Sie bereuen, Kommissar.«
»Sparen
Sie sich Ihren Atem für den Richter auf«, sagte Richard ärgerlich. In seinem
Büro ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. Er hätte sich über seinen Erfolg
freuen sollen, aber er war zu müde dazu. Und zu verletzt. Wie konnte Victoria
ihm das antun!
»Möchten
Sie einen Kaffee?« fragte Paul Heusohn.
Richard
nickte. Der Junge stellte ihm eine Tasse hin. »Vielleicht hat Herr Hopf noch
ganz andere Photographien gemacht und damit irgendwelche Leute erpreßt? Und
Fräulein Zilly hat ihm dabei geholfen? Wenn er wirklich Geld braucht, wäre das
doch ein Motiv, oder? Und Herr Lichtenstein hat sich nicht erpressen lassen und
wollte ihn anzeigen. Und dann haben sie ihn mundtot gemacht.«
»Alles
nur Vermutungen, Heusohn.«
»Aber
der Schlüssel ist ein Beweis!«
»Woher
wissen Sie, wie man Vorhängeschlösser knackt, hm?«
Der Junge
wurde rot. »Nun ja, das lernt man im Quartier sozusagen nebenbei.«
»Und
das passende Werkzeug führen Sie stets mit sich?«
»Man
weiß ja nie, wofür man's vielleicht brauchen kann, nicht wahr?« Er sah
verstohlen zur Uhr.
Richard
lächelte. »Machen Sie Feierabend.«
Er
bedankte sich und ging. Richard riß den Umschlag auf, den Wachtmeister Baumann
ihm gegeben hatte. Bevor er anfangen konnte zu lesen, kam Kommissar Beck
herein. »Unser zweiter Mann heißt Friedrich Stafforst!« sagte er zufrieden.
»Bitte?«
fragte Richard zerstreut.
»Haben
Sie vergessen, daß Sie mich nach Offenbach beordert hatten, um nach dem
Kutscher aus der Kaffeestube Bostel zu suchen?«
»Sie
haben sich selbst beordert, Herr Kollege.«
Beck
grinste. »Aber ich hatte recht! Friedrich Stafforst nahm am Frankfurter
Pferdemarkt im April letzten Jahres bei dem Offenbacher Pferdehändler Jakob
Strauß als Kutscher und Koppelknecht Arbeit an. Am 7. Oktober kündigte er die
Stellung und verschwand, um vor etwa einem Monat überraschend wieder
aufzutauchen. Da Strauß keine Stelle frei hatte, schickte er ihn weg. Mit
Bedauern, wie er sagt, da Stafforst ein tüchtiger Mann und ein hervorragender
Pferdekenner sei. Bei seinen Arbeitskollegen war er allerdings weniger
beliebt. Sie beschrieben ihn als arrogant und nannten ihn wegen seiner Vorliebe
für elegante Kleider und blasierte Ausdrücke den Engländer.«
»Wie
kommen Sie darauf, daß er der Mann aus dem Kaffeehaus sein könnte?«
»Die
Personenbeschreibung paßt ziemlich genau. Und einer seiner früheren Kollegen
konnte sich an die Manschettenknöpfe erinnern.«
»Mhm«,
sagte Richard.
Beck
lachte. »Vielleicht sehen Sie die Dinge optimistischer, wenn ich Ihnen sage,
daß ich heute eine Depesche aus Leipzig bekam. Dort wurde vor drei Jahren gegen
Oskar Bruno Groß und Friedrich Stafforst wegen Falschmünzerei ermittelt.
Stafforst wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, Groß konnte fliehen. Damit
dürfte auch geklärt sein, warum Groß in Frankfurt unter falschem Namen Logis
nahm. Die Kenntnis dieser Sachlage half mir zugegebenermaßen, gezielt nach
Stafforst zu suchen. In den Melderegistern von Frankfurt und Offenbach tauchte
er zwar nicht auf, wohl aber bei der Offenbacher Polizei. Dort gibt es eine
Akte mit einer hübschen Photographie darin. Ich habe mir erlaubt, sie zusammen
mit einem Dutzend anderer Bilder zunächst der Inhaberin des Seilergeschäfts und
dann der Kellnerin aus dem Bostel vorzulegen. Beide erkannten Stafforst ganz
sicher wieder. Er traf sich vor dem Mord also nicht nur mehrfach mit Groß im
Kaffeehaus,
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