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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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das
andere Fenster erreichte. Es war angelehnt; darunter stand eine Leiter. Erleichtert
kletterte Richard hinab und fand sich in einem zweiten Spitzboden wieder. Er
war noch schummriger als der erste und bis auf ein paar Kisten und ein altes
Schaukelpferd leer.
    Richard
rüttelte an der Bodenluke; sie war verriegelt. Er fühlte Panik. So
verschachtelt und verbaut wie diese Altstadthäuser waren, konnte es ewig
dauern, bis er den Weg von der anderen Seite gefunden hatte! Langsam gewöhnten
sich seine Augen an das Dämmerlicht. Das Gebälk bekam Kontur, auf den Kisten
lag Staub. Am anderen Ende des Bodens bemerkte Richard einen hellen Schimmer.
Er erwies sich als Ritze in einer Brettertür. Das erste, was er sah, als er sie
öffnete, war das Seil.
    Es hing
über einem Balken, darunter stand ein alter Hocker. Auf dem Boden lagen Bücher
neben einer verrußten Lampe. Paul Heusphn saß auf einer zerschlissenen Matratze
und starrte ihn an, als sei ein Gespenst hereinmarschiert.
    »Ich
muß mit Ihnen reden«, sagte Richard und setzte sich zu ihm.
    »Woher
wissen Sie, daß ich hier bin?« fragte der Junge mit rauher Stimme.
    »Ihre
Schwester Annika hat es mir verraten. Das da«, Richard deutete auf das Seil,
»ist keine Lösung, Heusohn.«
    Er sah,
wie es in ihm arbeitete. »Selbst dafür bin ich zu feige. Martin hat recht. Ich bin
ein Nichts, ein Bastard, ein...«
    Richard
faßte ihn am Arm. »So etwas will ich nie wieder hören, verstanden?« Er stand
auf, nahm das Seil ab und löste die Schlinge. »Ihre Mutter muß zum Arzt.«
    »Sie
will nicht. Und wir haben kein Geld.«
    »Wofür
gibt es wohl Hilfseinrichtungen, hm?« Richard wickelte das Seil auf.
»Oberwachtmeister Heynel wird den Vorfall für sich behalten. Und ich bin hier,
um ein Asservat abzuholen, das Sie irrtümlich mit nach Hause genommen haben.«
    »Heißt
das...«
    »Das
heißt, daß Sie jetzt erst mal dafür sorgen, daß Ihre Geschwister etwas
Ordentliches in den Magen bekommen. Und Sie selbst auch.« Richard hob eins der
Bücher auf. Neue Abenteuer des Doktor Holmes. Wider Willen mußte er
lächeln. »Ihre Fortbildung in polizeilicher Ermittlungsarbeit ist verbesserungsbedürftig,
Heusohn. Morgen werden Sie mich in die Bücherei des Polizeipräsidiums
begleiten.«
    »Ich...
weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Sagen
Sie einfach nichts.«
    In
seinen Augen glänzten Tränen. »Warum tun Sie das, Herr Kommissar?«
    »Auch
mir hat einmal jemand zur rechten Zeit sagen müssen, daß das Leben es wert ist,
dafür zu kämpfen. So, und jetzt muß ich los. Um zwei Uhr wird Hopf vorgeführt.«
    »Dann
hat der Staatsanwalt Haftantrag gestellt? Das ist ja eine
    gute
Nachricht.« Paul löschte die Lampe und verriegelte die Tür.
    Richard
deutete auf das Fenster. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir einen weniger
luftigen Weg nehmen könnten.«
    »Ich
gehe außen herum und mache Ihnen die Bodentür auf, Herr Kommissar.«
    Der Weg
nach draußen führte über dunkle Treppen und verwinkelte Gänge und endete in
einem Torbogen im Citronengäßchen. »Eins verstehe ich nicht«, sagte Paul.
    »Was?«
fragte Richard.
    »Warum
Martin, äh, Oberwachtmeister Heynel behauptet, seine Schwester hätte mich und
Fritz Wennecke streiten hören. Wir waren laut und wütend, aber sicher nicht so
sehr, daß es Lotte Heynel bis über den Hof hätte mitbekommen können.« Er zeigte
zu einem verrußten Häuschen neben der Toreinfahrt. »Zumal sie zum Gäßchen hin
wohnt.«
    »Was
wollen Sie mir damit sagen?«
    »Daß
Martin die Sache nicht von seiner Schwester erfahren haben kann, sondern nur
von Fritz Wennecke selbst. Und daß Fritz ihm nicht gesagt hat, was wirklich
vorgefallen ist, versteht sich ja von selbst.«
    »Und was
ist wirklich vorgefallen?«
    »Bitte
glauben Sie mir: Ich habe ihn gehaßt. Aber ich habe ihn nicht umgebracht.«
    »Wenn
Ihre Annahme stimmt, hieße das, daß Heynel und Wennecke sich am 17. Januar, also
Sonntag, spätabends, getroffen haben müssen. Denn am Montag war Wennecke schon
tot.«
    »Das
habe ich nicht bedacht, ja.«
    »Hatten
die beiden denn noch regelmäßig Kontakt?«
    Paul
Heusohn zuckte die Schultern. »Vielleicht war seine Schwester zufällig bei uns
im Haus. Oder eine Nachbarin hat was erzählt.«
    »Lassen
Sie's gut sein«, sagte Richard. »Was Ihre Mutter betrifft, schicke ich Ihnen
nachher Polizeiassistentin Rothe vorbei. Sie weiß, was zu tun ist.«
    »Aber
das ist doch nicht nötig.«
    »Seien
Sie nicht so verdammt stolz! Und schlafen Sie mal wieder.

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