Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
so, das sollten Profis machen, nicht so eine Amateurdetektivin wie sie. Auch wenn die Opfer ziemliche Mistsäcke gewesen waren, so verdienten sie es doch, dass man ihren Mörder schnappte, oder? Wie hatte sie glauben können, dass sie das konnte? Fabian, vielleicht, aber sie doch nicht. Sie war doch bloß eine Landpomeranze aus der Eifel, um Gottes Willen.
„ Haben wir mal wieder Schwierigkeiten mit unserem Selbstbewusstsein?“ fragte Katze, als sie Lisa um die Beine strich. Na gut, eigentlich sagte sie nur „Mmmmmooaaa?“, aber Lisa entging der ironische Tonfall durchaus nicht. Sie fütterte das Tier, das anstandslos begann, seinen Napf leerzufressen und dabei zufrieden zu grunzen. Für Lisa war es fast noch erstaunlicher, dass dieser Kater erst vor einer Woche bei ihr aufgekreuzt war.
Sie frühstückte bei laufendem Radio. In den rbb-Lokalnachrichten fand schon seit gestern Mittag nichts anderes mehr statt als der Mord an Walter Fechner. Und auch in den Hauptnachrichten war er eins der Hauptthemen, sogar in der Tagesschau gestern Abend kam es noch auf Platz fünf, direkt nach einer Meldung über einen vermissten Jungen in Bielefeld.
„ Die Partei des getöteten Politikers erfährt inzwischen einen ungewöhnlich starken Zuwachs“, berichtete die Sprecherin. „Wie der stellvertretende Vorsitzende Kofskofski angab, gab es allein gestern zweihundertdreiundfünfzig Anträge auf Mitgliedschaft, und eine Blitzumfrage ergab, dass nunmehr achtzehn Prozent der Berliner bei der nächsten Wahl für die BZ stimmen möchten. Vor einem Monat lag die Partei noch bei vier Prozent. Experten verweisen auf die Parallelen zu dem ermordeten niederländischen Politiker Pim Fortuyn, dessen Partei nach dem Mord einen gewaltigen Boom erlebt hatte.“
Na klasse , brummte Lisa in sich hinein, da hat unser Scharfrichter ja was angerichtet. Hey, das wäre ja ein Motiv! Jemand bringt den eigenen Parteichef um, um damit wie in Holland an die Regierung zu kommen...
Obwohl, so war es ja nicht. Fortuyns Mörder war ein linker Wirrkopf gewesen. Apropos linker Wirrkopf, was war eigentlich mit Sven? Lisas schlechtes Gewissen meldete sich zurück.
In voller Montur stieg sie die Treppen rauf und klingelte an seiner Tür. Es dauerte ein Weilchen, bis ein schläfriger Sven im Pyjama an der Tür erschien.
„ Hi, wie geht’s?“
„ Bestens“, antwortete Sven.
„ Ich hab mich gewundert, dass ich seit vorgestern Abend nichts von dir gehört hab. Bist du krank?“
Sven lehnte sich an den Türrahmen. Offenbar hatte er nicht vor, sie herein zu bitten. „Ich wollte mich dir nicht aufdrängen, okay? Du hast ja wohl auch genug zu tun.“
„ Es geht so. Das BKA kümmert sich jetzt um den Fall. Fabian und ich werden zurückgestuft.“
„ Tut mir leid. Aber hey, dann habt ihr ja mehr Zeit füreinander.“
Lisa seufzte. „Was soll denn das? Du bist mir mindestens genauso wichtig wie Fabian. Warum müsst ihr Männer immer konkurrieren?“
„ Ich konkurriere nicht. Nicht mehr.“
„ Wieso?“
„ Weil ich offensichtlich verloren habe.“
Lisa sah ihn traurig an. Sven schien sich in dieser Hinsicht sicherer zu sein als sie selbst. „Wieso glaubst du das? Hab ich irgendwas gesagt?“
„ Ich hab mitgekriegt, was ihr im Kino gemacht habt. Und als er sich mit mir angelegt hast, hast du mich nicht unterstützt, obwohl du wusstest, dass ich recht hatte.“
Oh nein, auf diese Debatte hatte Lisa nicht die geringste Lust. Nicht schon wieder. „Ich muss los“, sagte sie schnell, „aber komm doch heute Abend vorbei, wenn du Lust hast. Wir reden dann noch mal.“
Wortlos schloss Sven die Tür. Bei aller Liebe , dachte Lisa, aber Männer können mit Herzschmerz einfach nicht umgehen. Da heult man sich gefälligst drei Tage die Augen aus dem Kopf, so wie Frauen das machen; aber diese beleidigte Leberwurstnummer, das ätzt.
Der Tag fing scheiße an, und er ging auch scheiße weiter. Kaum im Dezernat, stellte Lisa fest, dass sie kein Büro mehr hatte. Stattdessen hockten vier Männer an den zwei Schreibtischen, die sie noch nie gesehen hatte. Und von Fabian war keine Spur.
„ Frau Becker?“ Ein zwei Meter großer Berg von einem Mann stand auf, während seine ebenfalls weißbehemdeten und schwarzbehosten Spießgesellen an ihren Sachen weiterarbeiteten. Er streckte ihr eine Hand von der Größe einer Salatschleuder entgegen, die sie ängstlich schüttelte. „Hauptkommissar Ullrich, BKA-Abteilung ZD. Das sind die Kollegen Dorfmann, Stiller und
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