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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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kurzerhand organisiert.
    Zwei Wochen auf dem alten Kontinent. Zwei Wochen, die für Floyd, Utah und Halloran wie in einer anderen Welt waren. Nick kannte all das natürlich schon von früher.
     
    Drüben in den Staaten hatte MBMI die erste tiefgreifende Krise überstanden.
    Als am 21. August die US-Tour zu Ende gegangen war, hatte Floyd auf der stimmungsmäßig merkwürdig morbiden Abschlussparty den Split der Band verkündet.
    Vorausgegangen war ein relativ unerheblicher Streit zwischen ihm und Nick, der damit begonnen hatte, dass Nick ihm hinter der Bühne ins Gesicht gesagt hatte, dass nichts, was diese Band je machen würde, wirklich von Bedeutung war. Jazz war von Bedeutung, Jazz tapdancte auf den metakulturellen Gewebefäden der inneren und äußeren Kosmen, aber Rock? Rock war Posing für die Massen, halbwegs erträglicher Lärm für eine Herde von Kids, deren Lebenspläne darin bestanden, möglichst wenig nachzudenken und möglichst viel Spaß zu haben. Natürlich hatte Nick das nicht so krass gemeint (oder wenn doch, dann nur, weil er gerade in einer physisch etwas ausgelaugten, miesen Stimmung war). Was aber den Ausschlag für den echten Krach gegeben hatte, war, dass Utah sich eingemischt hatte und sie Floyd mit den Worten »Na und? Wir wissen doch eigentlich alle, dass Nick recht hat, oder etwa nicht? Was ist neu und schockierend daran?« zu beschwichtigen versucht hatte. Das hatte nicht hingehauen. Floyd hatte erwidert, dass Rock minderwertige Musik bleiben würde, solange sie nicht ernsthaft daran glaubten, dass Rock hochwertig war. Dass Nick und Utah also schuld daran waren, wenn MBMI für alle Zeiten nur zweitklassig bleiben würde. Fünf Minuten später änderte er seine Argumente und ließ die Flamme des Rock sinken gegenüber dem ewig währenden Purismus des Blues. Damit verzettelte er sich dann. Die abschließende Diskussion darüber, ob Blues und Jazz nicht ohnehin denselben Quellen entsprängen und nicht alles irgendwie auf Afrika rückführbar war, erinnerte am ehesten an eine verlallte Debatte zwischen Besoffenen.
    Spontan kam man überein, den ganzen Krempel hinzuschmeißen, und sorgte auf die Art dafür, dass Mel Sletvik sich seinen vollgetürmten Büffetteller über Hemd und Hose kippte.
    So richtig massiv und tiefgehend waren die Wut und die gegenseitige Abneigung dann ja doch nicht. Die Musikfachpresse hatte etwas zu geifern (es gab zwei Fraktionen: die, die trauerten, und die, die sagten, wir hätten es ja immer schon gewusst, zu schneller Ruhm steigt zu Kopf und ist mit wahrer Musik nicht vereinbar), und es gab eine Art Sendepause, die sage und schreibe genau zehn Tage dauerte und in der die Band keine Konzerte und Interviews gab und offiziell wohl tatsächlich so was wie gesplittet war. Die Tatsache, dass ein Zeitraum von zehn Tagen überhaupt zum Medienthema werden kann, sagt schon einiges aus über die Verzweiflung, in der ein Land sich befindet, das Hunderte privater Programmkanäle mit irgendwas zu füllen hat.
    Davon ganz abgesehen trafen sich Floyd und Nick in dieser Zeit schon wieder heimlich in einem Studio, um die Arbeit an einer Maxi mit ›Implication Storm‹-Remixes zu überwachen und zu beobachten. Renommierte DJs und Mixmaster waren aus all denen, sie sich darum gerissen hatten, wie aus einem Lotteriekasten gezogen worden und hatten in weit auseinanderliegenden Städten ihre Ideen und Einflüsse über den ›Implication Storm‹ drübergegossen, bis daraus TripHop-, Ambient- und sogar Gabber-Dancefloorfutter geworden war. Floyd und Nick bosselten selbst noch einen vierten Remix dazu, der im Grunde genommen nichts mehr mit dem ursprünglichen Song geschweige denn herkömmlich tonaler Musik zu tun hatte, nannten ihn den ›Clap Clip Club Mix‹ und hatten eine Menge Spaß beim Aussuchen von Sample- und Geräuschfetzen, die sie in diesen Gumbo reinrührten. Die Maxi kam dann rechtzeitig zur Europatournee in Übersee auf den Markt, in Amerika wurde sie aufgrund einiger organisatorischer Überlegungen erst nach dem Chicago-Video rausgebracht.
    Nach dem ›Clap Clip Club Mix‹ düste die Band davon nach Europa, was aus amerikanischer Perspektive ein wenig seltsam aussah, denn offiziell war das Splitting noch nicht so richtig beendet. Irgendwie fehlte der Handshake, der alles wieder geraderückte. Irgendwie fehlten überhaupt die genreüblichen Rituale.
    Aber, hey – ist es nicht genau das, warum wir diese Band so lieben, Mann?
     
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach dem

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