Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
nicht weg.« »Kommst du mit?« »Nah, jetzt bin ich schon mal hier, jetzt tu ich mir den Mist auch bis zur Neige rein.« »Schön. Bitte.« Floyd erhob sich. Unten donnerte gerade die Performance einer hübschen Poser-Rock-Gruppe los. Halloran war vor der Bühne und plauderte gerade mit dem kichernden preisbeladenen Mädchentrio. Von Nick keine Spur. Dafür tauchte Wayland Donelli wieder auf, als Floyd gerade die angewinkelten Spießrutenknie seiner Sitzreihe überwunden hatte. Donelli hatte sein Handy in der Hand und strahlte über das ganze Gesicht, als er Floyd förmlich umarmte. »Läuft nicht schlecht ab, die Show, was?«, schrie er ihm gegen den Pseudo-Heavy-Lärm in die dafür viel zu empfindliche Ohrmuschel. »Jetzt wird’s langsam spannend, jetzt kommen die wirklich wichtigen Awards für Band und Beste Neulinge auf Video und so.« »Halt die Stellung. Ich bin raus hier, Wayl.« »Was soll das heißen: Ich bin raus hier?!« »Ich mach Schluss, Schluss, aus.« »He, das geht nicht, Mann. Wir sind für zwei Awards nominiert, und zumindest einen davon kriegen wir bestimmt. Oliver Stone ist extra deshalb hier, und die Leute wollen dich und ihn zusammen sehen ...« »Du kapierst nicht, Mann. Ich steig aus. Schluss mit MBMI . Ende.« »Du hast wohl gesoffen! Ich bezahl dich schließlich dafür, dass du hier auftrittst!« »Darauf scheiß ich doch.« Floyd drückte sich an Donelli vorbei und klomm weiter die fast senkrechten Stufen zu den Ausgängen hoch. Da das Licht der Bühnenshow laufend flackerte und Schabernack trieb, war hier zu laufen ziemlich spukig. Donelli hatte es aber wohl geschafft, mit Floyd Schritt zu halten, denn er tauchte plötzlich wieder neben ihm auf und schrie: »Was ist denn passiert, Mann? Hat die Nutte Utah dich mies behandelt?« »Sie ist keine Nutte.« »Häh?« »Sie-ist-keine-Nutte!« »Also was ist los? Was-ist-los?« »Bist du morgen im Büro?« »Klar. Den ganzen Tag.« »Dann komm ich morgen vorbei. Mach alles klar, ich will aus den Verträgen raus.« »Völlig bekloppt, Mann, völlig behämmert. Komm morgen ins Büro, und dann sprechen wir über alles, wenn du wieder runter bist.« Endlich blieb Donelli zurück, Floyd hatte schon gefürchtet, ihn für immer mit sich rumschleppen zu müssen. Der glatte Lärm der Niedlich-Gang war hier oben undifferenzierter, klang unsauberer abgemischt und deshalb interessanter. Eine nette Überraschung erwartete Floyd am Ausgang: Nick stand hier oben unter den Headlights, hatte das Gesicht zu einer Grimasse der Geringschätzigkeit verzogen und rauchte.
    »Ich hau hier ab«, sagte Floyd.
    »Beste Idee des Abends.«
    »Kennst du ein Studio, wo man um die Zeit noch jammen kann?«
    Nick dachte nach. »Ja, denke schon. Kannst du ein funky Drumwerk brauchen?«
    »Immer.«
    »`kay. Lass es uns tun.«
    Die leicht abgekämpft wirkenden Lackfrauen hielten ihnen freundlich die Doppelschwingtüren auf, als Floyd und Nick die Radio City Music Hall verließen, um auf den von Kanalisationsrosten dampfenden Straßen ein Yellow Cab zu kapern und nach einem Umweg zur Aus-dem-Hotel-Bergung von Floyds Les zu der von Nick unter einigen Mühen rekapitulierten Adresse aus dem wilden und drogenverzerrten Jazz-Age zu cruisen.
    Nick schaute aus dem Cab-Fenster auf die vorüberzuckenden Neons. »Ist dir eigentlich auch aufgefallen, dass dieses Frauentrio, dass da heute dauernd prämiert wurde, genau wie Prince klingt? Prince Mitte der Achtziger.«
    »Ja. Gibt schlechtere Vorbilder.«
    »Schon. Ist aber eigentlich auch traurig, irgendwie. The Artist formerly known as selbst spielt schon keine echte Rolle mehr bei solchen Veranstaltungen.«
    »Spricht für ihn, wenn du mich fragst.«
    »Nein, das Problem liegt woanders. In den Achtzigern war Prince sozusagen ein Leuchtturm, der einzige noch wirklich bedeutsame Erbgutverwalter der schwarzen Musik. Soul plus Blues plus Funk plus Jazz. Aber Ende der Achtziger wurde er links und rechts überholt von völlig respektlosen jüngeren Schwarzen und einfach liegen gelassen. Das Blues-Revival brachte mehr Blues hervor als Prince zu geben hatte, die P-Funk-Reminiszenzen und die Crossover-Welle hatten mehr Funk, die neuen Virtuosen verstanden mehr vom Jazz. Der Soul blieb irgendwo auf der Strecke, es sei denn, man könnte natürlich sagen, die HipHopper haben den Soul gerettet, erst nur mit Samples, dann auch ab und zu mit Authentizität. Aber Prince blieb bei dem ganzen irgendwie auf der Strecke.«
    »Weil er ein Idiot ist. Weil ihm

Weitere Kostenlose Bücher