Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Männer
das handhaben würden.«
Schmalfuß
hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Matuschke grunzte zustimmend.
»Vielleicht
läuft hier irgendwo ne Frau rum, stell ich mir vor, deren Mann von Bernie in
ihren besseren Tagen geknackt worden ist. Ich mein, jetzt sieht sie ... äh ...
sah sie aus wie ne abgetakelte Fregatte, aber früher, könnte ich mir denken,
hat sie schon was hergemacht. Also. Diese Frau, denn die Weiber sind ja alle
nachtragend, dass du das Kotzen kriegen kannst, diese Frau nährt ihren Hass
über die Jahre und wartet auf ihre Chance. Und boooooom hier ist sie,
Zack, die Rübe fällt, Vorhang. Und die Unbekannte packt ihre Koffer und
verschwindet wieder, Ende des Urlaubs, Ende der Story, Ende des Hasses. Ein ausgeklügelter
Plan.«
»Das
ist das Problem.«, warf Matuschke ein.
»Was?«
»Zu
ausgeklügelt. So clever sind Frauen nicht!«
Schmalfuß stand auf und
verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung. Das Lachen der beiden Männer
verfolgte ihn noch bis zur Terrassentür, und er fühlte sich mit einem Mal
kraftlos und deprimiert. Tief in Gedanken betrat er die Halle. An der Rezeption
lehnte Seda Güven, beide Ellenbogen auf den Empfangstresen gestützt, und
plauderte mit ihrer Freundin, die in der Mordnacht die Nachtschicht gehabt
hatte. Seine Laune besserte sich schlagartig, als er ihr plötzlich
aufwallendes, schallendes Gelächter hörte, dass das Lachen von Gregor und
Dieter aufzusaugen und zu eliminieren schien wie Löschpapier einen unansehnlichen
Fleck.
Sie
hatte einen Gartenstuhl dicht an die Oleanderhecke am Rande der Gartenanlage
hinter den Bungalows geschleppt und hoffte, dass sie ein paar ruhige Minuten
haben würde, bevor Gregor oder die Zwillinge nach ihr fahndeten. – Mamiiii,
was sollen wir spielen, uns ist langweilig! – Thilde, Schatz, hast du meinen
Schnorchel gesehen? – Mami, Vanessa hat gesagt, ich darf die Barbie nicht mit
ins Meer nehmen! – Mathilde seufzte und wühlte in ihrer Handtasche nach den
Menthol-Zigaretten. Sie hatte erst nach der Geburt der Zwillinge aufgehört zu
rauchen und manchmal fragte sie sich, ob es an ihrem Rauchen während der
Schwangerschaft gelegen hatte, dass die beiden ein wenig zurückgeblieben waren.
Gregor wies diese Behauptung weit von sich, für ihn waren die Mädels Göttinnen,
kleine Superstars, die eines Tages auf irgendeiner Bühne stehen und die Welt
mit - nun, ja, Mathilde, weiß auch nicht, mit was auch immer - beglücken
würden.
Mathilde
wusste es besser, und deshalb hatte sie beschlossen, dass sie sich ab und zu
eine Zigarette und einen Schnaps als Stimmungsaufheller gönnen durfte. Denn so
sah die Zukunft in Wirklichkeit aus: Chantal würde ihrer Mutter im Nagelstudio
helfen, ewig quengeln und zu spät zur Arbeit kommen, und Vanessa würde bei
ihrem Vater in der Metzgerei arbeiten, rund und glücklich wie ihr Papa werden,
die Presswürste liebevoll mit Petersilie und das Schaufenster mit jahreszeitlicher
Dekoration schmücken.
Nun,
daran war nichts verkehrt, nicht wahr?
Mathilde
warf ihr vom ständigen Bleichen strähniges und kraftloses Haar über die
Schulter und sog heftig an ihrer Zigarette. Als sie das erste Mal den Namen
Mathilde Matuschke in ihr Schulheft gekrickelt hatte, damals vor über vierzehn
Jahren, summten prickelnde, aufregende Gedanken an den großen Jungen, der sie
am Samstag von der Disco auf seinem Lenkrad nach Hause geradelt hatte, in ihrem
Kopf. Süß und tollpatschig war er gewesen und nie hätte die junge Mathilde sich
damals gedacht, dass sie ihn irgendwann nur noch tollpatschig und bräsig finden
würde.
MM, hatte er damals gewitzelt, wie Marilyn Monroe . Und sie hatte sich so
verführerisch und aufregend wie eine Leinwandgöttin gefühlt.
Ein
wenig Asche fiel zwischen ihre Brüste und Mathilde pustete sie hustend weg. Nachdenklich
betrachtete sie die lederne, fleckige Haut ihres Dekolletés.
Was
wäre geschehen, wenn Gregor als Erster die Rutschte benutzt hätte?
Sie
läge jetzt auf dem Bett in ihrem Familienzimmer, anständig in Trauer in ihrem
kleinen Schwarzen, das an den Seiten etwas zwickte, die Augenlider schwer vom
Valium, die Kinder neben ihr auf Gregors Seite, ebenfalls von Valium – endlich
Ruhe! – benebelt. Sie würde auf die Decke starren und Pläne trieben wie
unsichtbare Schaumblasen durch das verdunkelte Zimmer. Matuschke Feinkost
und Metzgerei würde sie an die Konkurrenz in Erkelenz verkaufen, soviel
stand fest, und dann hätte sie genug Startkapital, um ihr
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