Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Nagelstudio zu
vergrößern oder den Sprung – Mathildes Herz klopfte vor Aufregung und sie
zündete sich eine neue Zigarette an – in eine größere Stadt zu wagen. Fort aus
der Kleinstadt-Tristesse, vielleicht sogar ein Geschäft in Oberhausen oder in
Duisburg?
Mathilde
lehnte den Kopf gegen die Plastiklehne und blinzelte durch die Palmenblätter in
einen wolkenlosen Himmel. Dass diese Bernadette Fischbach tot war, ließ sie kalt,
erschreckend kalt. Das konnte sie nicht leugnen. Vielleicht macht dies, dachte
Mathilde, das lange Zusammensein mit einem Metzger, der ständige Geruch nach
Blut und Tod, der ihn umgab, auch wenn er es vehement bestritt und meinte, sie
hätte einen ... was er meinte, hatte sie nie erfahren, denn stets hatte ihr warnender
Blick ihn zum Verstummen gebracht, bevor er das Wort aussprechen konnte.
Die
Art und Weise, wie Bernadette sich an Gregor herangeschmissen hatte, hatte Mathilde
zutiefst beunruhigt. Hier stimmte etwas nicht! Sie war es, der die
Männer - nach wie vor - hinterher sahen, sie war es, die in der
Hoteldisco neben ihrem klumpigen Ehemann brillierte. Ihr Gregor hatte schon in
seiner Jugend kaum ein Mädchenauge auf sich gezogen, und die Vorstellung
missfiel ihr gründlich, dass Bernadette alleine durch ihre Hartnäckigkeit
womöglich doch etwas in Gregor wachrief, ein Sehnen vielleicht, oder die Frage,
was noch für ihn drin wäre im Leben, etwas Unausgegorenes, etwas, dass
eventuell seine Unzufriedenheit schüren würde. Für Mathilde war klar: Wenn
jemand dem Lauf der Dinge eine andere Richtung gab, dann war sie selbst es,
nicht Gregor. Gregor sollte Gregor, der gutmütige Rutschenfetischist bleiben,
ein für allemal, ihr und den Mädchen zugetan, brummelnd aber insgeheim zutiefst
zufrieden, und Mathilde würde auch in Zukunft alle wichtigen Entscheidungen
treffen. Gut, dass diese Frau aus der Welt war, dachte Mathilde, womöglich
hätten sich Gregors Pranken doch noch irgendwann in ihren ausufernden
Hinterbacken vergraben.
»Mamiiiii,
was sollen wir jetzt spielen? Wieso bist du hier hinten im Garten, wo es so
langweilig ist?«
Mathilde
beschattete ihre Augen und senkte den Kopf. Vanessa und Chantal trugen kurze
Katzenkostüme, ihre erhitzten Gesichter waren bunt geschminkt. Die Farben
liefen ineinander und Chantal nagte an einem roten, zuckrigen Gummistrang. »Mami,
Leyla hat jetzt Pause, was sollen wir jetzt tun? Sag doch maaaaal?« Vanessas
weißgeschminkte Unterlippe zitterte verdächtig.
»Geht
und sucht Papa, Kinder! Wenn er nicht an der Terrassenbar ist, dann schaut
drinnen in der Cocktail-Lounge nach, das ist der Raum neben dem Frühstücksaal.
Lasst Mami noch ein wenig in Ruhe, sie muss nachdenken. Und was hast du da in
der Hand? Habe ich dir nicht verboten, dich mit türkischen Süßigkeiten zwischen
den Mahlzeiten vollzustopfen? Los, her damit! Meinst du, Mami hat wieder Lust,
dich eine ganze Nacht lang über die Kloschüssel zu heben? Mami braucht ihren
Schönheitsschlaf!«
Vanessa
stampfte mit dem Fuß auf, ihr Mund verzog sich zu einem wütenden Quadrat. Sie
stand einige Sekunden so da, dann klappte sie den Mund wieder zu und schluckte
ihr Wutgeheul hinunter. Ihre Mutter hatte sich ein Tuch über den Kopf gelegt
und würde auf nichts reagieren, selbst wenn sie und ihre Schwester sich das
Fleisch in Fetzen schnitten.
»Doofe
Pute, saudoofe Mami!«, murmelte Vanessa, nahm die Hand ihrer Schwester,
und zockelte in Richtung Terrassenbar.
Kapitel 7
- Trotz und Illusion -
»Er
hat sich nicht einmal bedankt, dass wir ihn über den Mord informiert haben,
außerdem schuldet er mir noch mindestens zwanzig Gefallen, ach, was rede ich,
hundert Gefallen! Angegiftet hat er uns nach dem ersten Verhör mit dem dicken
Matuschke, Herr Schmalfuß, Sie erinnern sich? Dabei waren wir sehr freundlich
und wollten nur wissen, was er erzählt hat, eine Hand wäscht schließlich die
andere!«
Seda
nahm drei Luftaufnahmen von Dereköy aus einem Postkartenständer und betrachtete
die Bilder stirnrunzelnd.
»Welche
soll ich nehmen? Finden Sie nicht, dass unsere Stadt von oben wie ein
plattgedrückter Schlumpf aussieht? Ist für meinen Papa, ich schreibe ihm jede
Woche.«
»Das
ist ja allerliebst, Fräulein Seda, solch enge Bindung an den Herrn Vater!«
»Ja,
finde ich auch, ich bin eine gute Tochter. Allerdings muss er warten, bis er
mich besucht oder ich zu ihm fahre, vorher kriegt er die Karten nicht, denn sie
kommen nie an. Momentan ist er ... äh ... Augenblick ...
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