Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
überreden. Suchend sah
er sich um und fand wenige Meter entfernt was er für seine Zwecke benötigte.
»Sie
meinen, Sie kriegen mich mit Stracciatella-Eis weich?«
Seda
schüttelte den Kopf und fühlte das angenehm kühle Metall ihrer neuen Ohrringe
an ihrem Hals.
»Stracciatella, Melone und Blue Curacao. Ich kenne Ihren Geschmack nicht,
hoffte aber, eine der Kugeln würde ihn schon treffen.”
Mit
einer kleinen Verbeugung reichte Schmalfuß Seda die tropfende Eiswaffel, die
sie mit einem Knicks entgegennahm. Während sie ihr Eis aß, hörte sie Schmalfuß
mit halbgeschlossenen Lidern zu, sie standen regungslos im Gedränge, als wären
ihre Füße in Beton gegossen. Schließlich zerdrückte sie den Rest ihrer Waffel
zwischen zwei Finger und die Krümel bröselten auf die Straße.
»Das
hier, Herr Schmalfuß, würde ich am liebsten mit Kadir machen, genau das,
zerquetschen sollte man ihn wie eine ... na ja, egal. Er hat mich mies
behandelt und sie gleich mit dazu, ich verstehe gar nicht, warum sie ihm noch
helfen wollen. Naja, was soll’s, es kann ja nicht jeder so gute Manieren haben
wie ich als Diplomatentochter. Internationale Schule halt.«
Sie
streckte Schmalfuß geziert ihre klebrige Eishand hin.
»Nun,
denn, ich reiche Ihnen die Hand zum Kusse, Kommissar, denn sie dürfen mir
dankbar sein. Ich werde versuchen Deniz zu überzeugen, dass er mit ... diesem
Möchtegern-Detektiv redet. Aber wenn er dem zustimmt, dann werde ich in jedem
Fall bei dem Gespräch dabei sein, Deniz ist viel zu lieb und naiv, er redet
sich womöglich um Kopf und Kragen.«
»Aber Fräulein Seda, Herr Bülbül
ist nicht die Gestapo, und er braucht unsere Hilfe. Und Deniz womöglich auch,
wenn dieser Dalga dahinterkommt. Man muss immer einen Schritt voraus sein,
Fräulein Seda, immer einen Schritt voraus.«
»Gehen
Sie doch schon mal voraus, Nevin, am Ende des Flurs ist das Wohnzimmer. Möchten
Sie noch etwas trinken, bevor wir aufbrechen, einen Tee vielleicht?«
»Oh,
danke, aber Tee lieber nicht. Ich nehme gerne ein Glas Weißwein.«
Kadir
sah Nevin nach, die ihr schimmerndes Haar schwungvoll über die Schulter warf
und energisch in Richtung Wohnzimmer schritt. Wieso zieht sie die Schuhe
nicht aus? ,hörte er seine Mutter und war versucht, Nevin diese
Frage in Latifes nörgelndem Tonfall hinterherzurufen, doch ihre harmlose Bitte
nach einem Glas Weißwein verursachte ihm einen kurzfristigen Atemstillstand. Er
rannte in die Küche, klappte Schränke auf und zu und sah zweimal ergebnislos in
den Kühlschrank.
»Weißwein,
Weißwein, hatte ich nicht noch irgendwo eine Flasche ...«, murmelte er vor sich
hin. Zur Vorsicht öffnete er auch den Gefrierschrank, wühlte zwischen
Tupperdosen, die seine Mutter ihm mitgegeben hatte und deren Inhalt er nicht
kannte, hob eine Pizzapackung an und spähte darunter. Dann steckte er seinen
Kopf durch die Durchreiche ins Wohnzimmer und fragte sich im gleichen Moment,
ob er nicht einen reichlich dämlichen Eindruck machte. Kein Wein, dafür ein
schwebender Kopf ohne Körper mitten im Gemäuer.
»Ich
fürchte, ich habe keinen Wein, vielleicht etwas anderes?«
»Oh,
ein Sherry tut es auch. Oder ein Martini?«
Kadir
zog den Kopf zurück und lehnte sich an die Arbeitsplatte, atmete tief ein und
aus.
Was
war er für ein Idiot!
Tagelang
war er um sein Telefon herumgeschlichen, dann hatte er sich endlich ein Herz
gefasst und Nevin angerufen, sie zum Essen in ein neu eröffnetes Restaurant
außerhalb von Dereköy eingeladen, romantisch auf Klippen gelegen mit einer herrlichen
Aussicht auf das Meer und die zerklüftete Küste. Und sie hatte zugestimmt,
sofort und freudig ja gesagt! Seine Hand hielt den Hörer noch ungläubig
umklammert, als sie sich längst mit einem – wie ihm schien – verheißungsvollen
Lachen verabschiedet hatte. Oh, bebegim, hatte seine Mutter gerufen und
ihn fest in ihren Armen verkeilt, als er ihr mit leicht verschämter Freude von
seiner Verabredung erzählte. Bebegim, fühlst du mein Herz? Es pocht vor
Freude wie eine Pumpe, ach, mein Sohn, nun wird alles gut und ich kann mich
beruhigt zurückziehen! – Zurückziehen? Wohin willst du dich zurückziehen? –
Ach, Unsinn, Kadir, das ist doch nur so eine Redensart! Oh, wir bekommen eine
Ärztin in die Familie! Sieh mal, hier, dieser dunkle Fleck unter meinem Kinn
... kannst du Nevin vielleicht fragen, was das ist? Aber denk daran, Sohn,
Frauen mögen es romantisch, bereite ihr einen schönen, unvergesslichen Abend,
frage
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