Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
an der Arbeit, deshalb habe ich sie angenommen, ich hatte ein wenig … ähem
… Angst vor der ersten Zeit in Pension, meine Mutter lebte ja nun auch schon
nicht mehr. Ich hatte niemanden und wollte mich beschäftigen.«
Seda
tätschelte Schmalfuß‘ Hand und biss sich auf die Lippen. Kadir verdrehte die
Augen. Meine Güte, sie hatte wirklich einen Narren an dem alten Mann gefressen,
gleich würde sie sich ihm als Adoptivmutti anbieten und … Kadir fing Sedas
Blick auf und er senkte unwillkürlich den Kopf. Sie konnte streng, sehr streng
gucken, dachte er, noch strenger als Latife.
»Aber
es war die falsche Art der Beschäftigung. Das war es nicht, was ich wollte, es
war einfach nur dazu geeignet Zeit totzuschlagen. Glücklicherweise habe ich mich
dann an meine schönen Sommerurlaube in der Türkei erinnert und so begann langsam
mein Nomadenleben. Tja, nun denn, bald merkte ich, dass es dies war, was ich
gewollt hatte und was habe ich hier für wunderbare Menschenkinder kennengelernt.«
Schmalfuß
bedeckte Sedas Hand, die seine immer noch umklammerte, mit der anderen Hand,
und Kadir widerstand dem Impuls, seine darüberzulegen und das alte Kinderspiel
zu beginnen, in dem die unterste Hand rasch weggezogen und nach oben gelegt
werden musste, bis alles im wilden Wirbel und Chaos endete. Dies ist eine
ernste Situation, wies er sich zurecht.
»Und
wer sind Sie?«, fragte Kadir stattdessen.
Walter
Menold hatte sich unauffällig und erstaunlich leichtfüßig an die Gitterstäbe
herangeschoben und lehnte nun neben Schmalfuß, dem er interessiert zuhörte.
»Menold,
Dr. Menold. Aus Wuppertal.« Er reichte Kadir beide Pranken durch die Gitter und
schüttelte seine Hände. »Wir sind praktisch per Du, der Mörder und ich, so als
Zellengenossen, das schweißt zusammen, wir haben keine Geheimnisse voreinander,
sprechen Sie ruhig weiter.«
»Nun,
per Du bin ich mit niemanden, werter Herr Doktor, aber ansonsten bestätige ich
gerne Ihren Leumund. Herr Bülbül, sprechen Sie ungeniert, der Mann ist aus der
Inkassobranche, er kommt also aus einer ähnlichen Branche wie der unsrigen,
stets bereit für Recht und Ordnung zu sorgen, nicht wahr?«
»Jetzt
werde ich glatt rot, danke ergebenst für diese Einschätzung, sehr
schmeichelhaft. Vielleicht nehme ich das als Motto für die nächste Vereinssitzung:
Recht und Ordnung in der Schuldenwelt. Oder so.«
Kadir
merkte, dass Kirik auf die Uhr sah und lenkte die Aufmerksamkeit rasch wieder
auf das eigentliche Thema, auch wenn es ihm nicht gefiel, dass Menold dabei
war. Aber der hätte auch alles gehört, wenn er auf der Pritsche sitzengeblieben
wäre.
»Sie
sind ganz sicher, Frau Fischbach nie vorher gesehen zu haben?«
»Aber
ja, das sagte ich doch, und es gibt nichts und niemanden, der mir das Gegenteil
beweisen kann.«
»Dalga
wird etwas konstruieren, soviel ist klar.« Seda schüttelte den Kopf. »Es ist
doch zu verrückt, dass es keine anderen Spuren in diesem Fall gibt!« Ihr fiel
etwas ein. »Was ist mit …« Sie blickte zu Menold und entschied, dass es ihr
gleichgültig war, was der Mann mitbekam. Spätestens heute Abend, wenn er mit
seinen Kollegen wieder »tagte«, würde er sowieso alles durcheinanderbringen
oder so aufgebauscht haben, dass man nichts mehr von der eigentlichen
Unterhaltung wiedererkennen würde. »Was ist mit Deniz? Müssten wir ihn nicht
jetzt in dieser Situation bitten zu Dalga zu gehen?«
»Oh
nein!« Schmalfuß hob abwehrend die Hände. »Nein, nein, nein! Der junge Mann ist
doch ein Unschuldslamm und würde sich versehentlich um Kopf und Kragen reden.
Ich bin immerhin ein Profi, auch wenn ich zum ersten Mal auf der anderen Seite
des Gesetzes stehe. Oh, aber wie rede ich denn? Das muss an dieser Zelle hier
liegen, finden Sie nicht, dass die Atmosphäre…« Er schnippte mit den Fingern in
die Luft, als wolle er einen unsichtbaren Geist herbeirufen, »… an einen alten
John-Wayne-Streifen erinnert?«
Alle
verstummten und sahen sich um, auch Levent Kirik, der kein Wort verstanden
hatte. Seda und Kadir nickten, und Menold beeilte sich, es ihnen nachzutun.
»Aber
wenn wir schon von Deniz sprechen.«, fuhr Schmalfuß schließlich fort und rieb
sich die Stirn. »Was ist mit diesem merkwürdigen Russen, den er erwähnt hat? Eine
schwächliche Spur, ich weiß. Gibt es da Neuigkeiten?«
»Nein,
nicht wirklich.« Seda zuckte bedauernd die Schultern. »Im Emir Palace sind
derzeit nur drei Zimmer und eine Suite von russischen Touristen belegt. In
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