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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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morgens mit glasklarer,
schroffer Silhouette und abends schimmernd und verschwommen begrüßten, als
hätten auch sie einen harten Tag hinter sich und müssten nun dringend ausruhen!
Der fatale Abend mit Nevin erschien ihm mit einem Male ebenfalls in ein weicheres
Licht getaucht, und er erinnerte sich an alle Momente, die er mit ihr genossen
hatte. Und hatte sie im Laufe der Zeit nicht auch unendlich viele Beweise eines
angenehmen Naturells geliefert? Die unaufdringliche Art, mit der sie seiner
Mutter stets zur Hand ging, der bescheidene Respekt, den sie seinem Vater
zollte, die Freundlichkeiten gegenüber Yusuf oder Annes Freundinnen,
eben die Dinge, die auch seine Schwester erwähnt hatte.
    Der
Spaziergang an der Strandpromenade war Kadirs zweite Verabredung mit Nevin,
seitdem seine Mutter ihm und seiner Schwester anklagend von der davon
driftenden Nevin-Braut erzählt hatte. Nachdem Kadir ihr eröffnet hatte, dass er
Nevin nun doch noch einmal anrufen würde, verliefen die Nächte für Latife wieder
störungsfrei in seligem Schlummer, und sie berichtete Kadir ausführlich von
ihren süßen und verheißungsvollen Träumen, in denen es von Vorzeichen
zukünftigen Glücks für gewisse, nicht näher zu benennende Personen ihrer
direkten Umgebung nur so wimmelte.
    Nachdem
sie zwanglos und sehr angeregt miteinander telefoniert hatten, hatte Nevin
Kadir am Abend in seinem Büro überrascht, und sie waren in einem einfachen lokanta in der Altstadt essen gegangen. Vielleicht lag es an der lockeren Atmosphäre
des Lokals, dem Trubel und dem lauten und ausgelassenen Stimmengewirr in den
Gassen – Kadir konnte nicht genau benennen, was es gewesen war, aber das
Zusammensein mit Nevin hatte sich mit einem Male unendlich vertraut angefühlt,
als würden sie sich schon seit Jahren kennen und wären beide der Tatsache
gegenüber nicht gewahr, dass man sie als potentielle Eheleute handelte. Als sei
es plötzlich nicht mehr nötig sich zu taxieren und genau darauf zu achten, was
der andere sagte, wie er sich bewegte und was er von sich preisgab.
    Sie
sprachen über den Mord, und Kadir freute sich an der sachlichen und
interessierten Art, in der Nevin Fragen stellte, ihr ungeheucheltes Interesse
und die Tatsache, dass sie sich offensichtlich ausführlich Gedanken zum Hergang
des Verbrechens gemacht hatte um ihm einen Gefallen zu tun. Als eine
Großfamilie unter Getöse am Nebentisch Platz nahm, kamen sie auf ihre Familien
zu sprechen und Nevin erzählte von ihrem Elternhaus, in dem namhafte Personen
aus Politik und Wirtschaft wie selbstverständlich aus und ein gingen, ein
großzügiges und weitläufiges Haus, in dem es ständig Gäste gab und man nie
wusste, wie viele Menschen sich abends um die reich gedeckte Tafel setzen
würden. Kadir sah, wie ihre Augen vor Vergnügen strahlten, als sie das bunte
Treiben in ihrem Elternhaus schilderte und er verstand, warum sie unbedingt nach
Istanbul zurück wollte. Ihr Leben in der Millionenmetropole, geborgen in einer
Großfamilie mit einem ausgedehnten Freundeskreis, musste ein ungleich
spannenderes und aufregenderes gewesen sein als hier in Dereköy, einem
Küstenort, der zusehends - Kadir gab es nur ungerne zu - in Gefahr geriet,
seine Seele zu verlieren.
    Kadir
warf noch einen Blick auf das Gerippe, das Schloss Neuschwanstein werden würde
und wandte sich dann entschlossen ab. Solange sie seine Altstadt in Ruhe
ließen, sollte ihm alles Recht sein, von ihm aus konnten Sie Iglus oder
Wikingerschiffe bauen, wenn es das war, was die Touristen wollten.
    Sie
traten auf die Promenade und Kadir sog den salzigen Geruch des Meeres ein.
Touristen schlappten müde zu ihren Hotelanlagen zurück, unter dem Arm halb
aufgeblasene Gummitiere, Luftmatratzen und salzverkrustete Handtücher. Auf dem
schmalen Mäuerchen, das die Promenade vom Strand trennte, saßen vereinzelt ein
paar einheimische Großmütter, die ihren Enkel beim Fußballspielen zusahen und
sich über mehrere Meter Distanz hinweg gegenseitig Grußworte und Fragen nach
der gesundheitlichen Befindlichkeit zuwarfen. Wie an jedem Spätnachmittag
fanden sie sich hier ein und warteten in Gelassenheit ab, dass ihre Töchter und
Söhne kämen, man noch eine Weile zusammen aufs Meer schauen und dann zur
gemeinsamen Mahlzeit aufbrechen würde.
    Nevin
und Kadir spazierten langsam an den Grüppchen vorbei, hier und da grüßte man
den Sohn von Latife oder die junge Ärztin, zu der man sich anfangs gar nicht in
die Praxis getraut hatte, weil man

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