Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
ist, wenn es keine erotische Verbindung war?
Wir haben nicht an die Existenz des Russen geglaubt, weil wir uns von Deniz‘
Bemerkung, dass sie nicht ins Beuteschema der russischen Männer, wie sie sich
uns hier auf den Promenaden und in den Hotels präsentiert, passt. Und das
stimmt wohl. Eindimensional wir Ihr Männer nun mal seid…«
Seda
machte eine weitausholende Geste, um auch Levent Kirik mit einzubeziehen, der
neben ihr stand und mit gleichbleibend versteinerter Miene auf die
gegenüberliegende Wand starrte, »…habt Ihr nicht weitergedacht, und ich habe
mich davon einlullen lassen. Meine Schuld. Was ist, wenn es ihn gab und gibt,
Bernadette aber gezwungen war, ihre Verbindung geheim zu halten? Sie hat doch
in diesem Ingenieurbüro gearbeitet, hat Dalga das nicht gesagt? Kadir, Sie
haben uns doch erzählt, dass die Ölplattformen konstruiert haben, unter anderem
für Shell in Nigeria.«
»Ja,
es ist ein relativ kleines Büro, nur knapp dreißig Leute, aber hochspezialisiert
und gut im Geschäft, vor allem für Shell. Für das BP-Unglück waren sie jedenfalls
nicht verantwortlich, sagte mein Ex-Kollege in Köln.«
»Soweit
ich weiß, ist Shell seit etlichen Jahren in Nigeria und stiehlt den Leuten das
Öl, trotz aller Skandale ist an deren Monopol nicht zu rütteln, aber es ist
doch logisch, dass andere ebenfalls daran interessiert sind. Millionäre aus
Staaten, die noch nicht so lange privatwirtschaftlich organisiert sind und die
nun auch ein Stück vom Kuchen haben wollen. Was ist mit den Russen, solche vom
Kaliber eines Abramowitsch?«
Seda
sah die Männer mit leuchtenden Augen an.
»Ich
verstehe, dass, da Ihr Herr Vater Diplomat ist, Sie einen Hang zu finsterer Spionage,
Weltverschwörung und John Le Carré haben, aber ist das nicht ein bisschen weit
hergeholt? Frau Fischbach hatte doch gar nicht die Macht und den Einfluss, um
irgendwelchen Russen zu dem Öl vor Nigerias Küste zu verhelfen. «
»Sehen
Sie, Herr Schmalfuß, das ist es was ich meine! Männliche Phantasielosigkeit
gepaart mit der bereits erwähnten Eindimensionalität.« Seda verdrehte die
Augen. »Natürlich konnte sie keine Öllizenzen verschachern, aber meine Güte,
Kadir, Herr Schmalfuß, Dr. Menold, haben Sie nie Dallas gesehen? Wenn
diese Firma, für die sie arbeitete, so hochspezialisiert war, dann wäre es doch
für einen russischen Ölmagnaten oder jemanden, der es werden will, von größtem
Interesse, an, sagen wir mal, Konstruktionspläne der Offshore-Plattformen zu
gelangen, um die Anlagen zu sabotieren, Shell das Fördern zur Hölle zu machen. Erinnern
Sie sich nicht an diesen Typen in Dallas, der für J.R. Ewing Ölfelder in
Saudi-Arabien gesprengt hat um die Ölpreise zu drücken? Es gibt bestimmt noch
eine Menge anderer Dinge, auf die ich nicht komme, die für Außenstehende von
größtem Interesse wären. Was haben Sie gegen Spionage, Kadir? Industriespionage
hat nichts mit Weltverschwörung oder meiner – ich wette Sie denken heimlich weiblich
überspannten - Phantasie zu tun. Die findet jeden Tag und überall statt,
selbst bei uns in den Hotels. Was meinen Sie, wie Olli Reinecke immer bibbert,
dass die anderen großen Hotels nicht herausfinden, was er in der kommenden
Saison für neue Attraktionen bieten, welches Musical er aufführen lassen will!
Wieso ist es so abwegig, dass ein Russe an unsere Bernadette herangetreten ist
und sie großzügig dafür entlohnt hat, damit sie ihm irgendwelche Daten oder
Pläne liefert? Sie hat doch seit Jahren dort gearbeitet, ich möchte wetten,
dass sie zu allem Zutritt hatte. Wahrscheinlich hat sie sogar die technischen
Beschreibungen getippt, Dokumente zum Brandschutz, zu Defekten, zu Risiken, was
nicht alles! Perfektes Material für Sabotage! Möchten Sie ein Pfefferminz?«
Seda
zog eine Tic-Tac-Schachtel aus ihrer Handtasche und bot sie Menold an, der vor
lauter Aufregung sein Gesicht immer näher an das ihre durch die Gitterstäbe
gedrückt hatte.
»Sie
haben eines in Ihrer Begeisterung nicht bedacht, Seda!«, meldete sich Kadir,
auch auf die Gefahr hin wieder als Störenfried gebrandmarkt zu werden, zu Wort.
»Neben der Tatsache, dass Frau Fischbach in diesem Büro gearbeitet hat, hat
Dalga außerdem preisgegeben, dass der Chef von Frau Fischbach damit zufrieden
war, dass sie ein bisschen dekoriert hat und ans Telefon gehen konnte. Mehr war
nicht drin, das waren seine ureigensten Worte. Ich habe über meine Kontakte in
Köln, die mit den Hamburgern gesprochen haben,
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