Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
Vom Netzwerk:
Puhhh … nein, nix Boxkampf, aber ich muss mich abreagieren. Ich sehe immer
meinen Herbert Schmalfuß vor mir, wie er mit wehenden Bermudashorts durch den
Ort radelt und …«
    Seda
wischte sich mit einer energischen Bewegung über die Augen und fixierte dann
einen Punkt auf Kadirs Stirn. Sie seufzte und nahm zweimal Anlauf, bevor sie
mit leicht zittriger Stimme hervorbrachte:
    »Was
ist, Kadir? Wollen Sie mich nicht vorstellen?«
    »Oh
Verzeihung, natürlich. Nevin, das ist Seda Güven, eine Kollegin aus dem
Meridian Club. Seda, Nevin Arslan ist eine entfernte Verwandte von mir, wir
kennen uns über meinen Onkel Yusuf.«
    »Der
Onkel mit der Kamera, nicht? Sie sehen ihm gar nicht ähnlich.«, meinte Seda und
betrachtete Nevins schmales Gesicht und die hohen Wangenknochen. Sie widerstand
dem Impuls, sich in die eigenen Wangen zu kneifen um die Konsistenz zu
überprüfen. Neben der wirke ich wie ein Monsterpummel, dachte Seda. Von wegen
Fliegengewicht!
    »Nein,
glücklicherweise habe ich nichts von Onkel Yusufs Aussehen – dazu sind wir doch
zu weit voneinander entfernt. Glück gehabt!« Nevin lachte. »Und sie sind also
eine Kollegin von Kadir?«
    Nevin
musterte die verschwitzte junge Frau von Kopf bis Fuß. Nicht schlecht, dachte
sie, aber vom Typ her zu dunkel. Und was hatte sie mit ihren Haaren angestellt?
Musste man nicht schon auf die fünfzig zugehen und mindestens vier Kinder zur
Welt gebracht haben, um sich das Haar so kurz zu schneiden? Hier in Dereköy,
hatte Nevin festgestellt, signalisierte eine solche Frisur, dass eine Frau der
Welt zeigen wollte, dass sie fortan nicht mehr gesehen werden mochte, dass sie
das Altern und die Spuren, die das Leben auf ihrem Körper und in ihrem Gesicht
hinterlassen hatte, akzeptierte und zusätzlich willkommen hieß, indem sie die freiwillig
auf ein weiteres, ein wichtiges Attribut ihrer Weiblichkeit verzichtete. Fortan
konnte sie mit ihren Freundinnen in weiten Pluderhosen breitbeinig vor der
Haustür sitzen und Sonnenblumenkerne knacken ohne Gefahr zu laufen, dass
Männeraugen sie verfolgten oder sie sich in den Augen ihrer Familie würdelos
benahm. Jetzt durfte sie den jungen Männern Anspielungen hinterherrufen,
wenn diese an ihr vorbeirannten, aufgeregt und in Schale geworfen, auf dem Weg
zu einem Rendezvous. Nevins Mutter, selbst eine schöne Frau mit langem
goldbraunem Haar, hatte ihr erklärt, dass dieser Zustand von den meisten Frauen
in Dereköy sicherlich als Erleichterung und Befreiung empfunden wurde, doch
Nevin konnte nur die Niederlage sehen. Sie hatte sich geschworen, dass sie
gegen das Altern kämpfen würde und niemals, bis zum Tode nicht, würde sie auf
ihre lange, schimmernde Mähne verzichten.
    »Ja,
ich arbeite an der Rezeption.«, antwortete Seda auf Nevins Frage.
    »Ach?
Eine Empfangsdame? Nun dann…« Nevin lächelte gewinnend, »… dann sind Sie doch
eher eine Mitarbeiterin von Kadir, keine Kollegin.«
    Ein
Schatten glitt über Sedas Züge, aber sie erwiderte nichts.
    »Wenn
Sie mal eine Ärztin brauchen, denken Sie an mich. Ich bin noch so neu hier mit
meiner eigenen Praxis, auch nach über einem Jahr, dass ich nach wie vor auf Eigenwerbung
angewiesen bin. Ach, entschuldigen Sie, ich hatte ja gar nicht erwähnt, dass
ich Ärztin bin. Nun, ich bin's, schuldig im Sinne der Anklage. Aber Sie müssen
mich nicht mit meinem Doktortitel ansprechen, da lege ich keinen großen Wert
drauf.«
    Nevin
hob die Hände wie zur Abwehr und lachte fröhlich.
    Seda
verschränkte die Arme und widerstand dem Impuls dieses Lachen wie ein kleines
Kind nachzuäffen. Schuldig im Sinne der Anklage! Himmel, was sollte daran denn
lustig ein? Und wir sind ja so bescheiden und wollen den Doktortitel gar nicht
hören, nein, natürlich nicht! Was für eine affektierte Zicke.
    »Was
haben Sie mit Ihren Haaren angestellt?«, fragte Kadir eilig. Er wusste nicht, was
zwischen den beiden Frauen vorging, aber es schien ihm angeraten, das Gespräch
an sich zu reißen und die Beiden voneinander abzulenken.
    Nevin
lächelte beglückt. Hatte Kadir ihre Gedanken gelesen? Welch ein gutes Zeichen!
    »Was
soll ich schon damit angestellt haben? Ich habe es abgeschnitten, weil
es mir auf die Nerven ging. Es braucht ewig, bis man es gewaschen hat, ständig
verheddert es sich in irgendwelchen Reißverschlüssen, es klebt im Gesicht, wenn
man sich gerade eingecremt hat. So ist es viel praktischer.«
    »Nun,
praktischer ist es zweifelsohne.« Nevin warf ihr Haar über die Schulter und sah
Kadir

Weitere Kostenlose Bücher