Hanan 1 - Brüder der Erde
gar keinen Fall steht Bel auf der Seite dieser Leute.«
»Die Zahl von t'Tefurs Anhängern wächst ständig«, sagte Ptas, »und seine Macht muß groß sein, daß er es wagt, im Upei solche Dinge zu sagen.«
Kurt blickte verwirrt von einem zum anderen. Nym übernahm es, ihm die Situation zu erklären: »Wir sind Indras«, sagte er. »Vor tausend Jahren gründete Nai-Methi von Indresul auf den Inseln südlich dieses Ufers Kolonien und legte später den Grundstein der Festung Nephane, welche die Küste vor den Sufaki-Piraten schützen sollte. Die Indras zerstörten Chteftikan, die Hauptstadt des Sufaki-Reiches, und die Kolonisten verwalteten die neuen Provinzen von der Zitadelle aus. Fast tausend Jahre lang beherrschten wir die Sufaki, doch mit der Ankunft der Menschen wurde unsere Verbindung zu Indresul unterbrochen, und als diese dunkle Epoche vorbei war, haben wir all die alten, grausamen Gesetze abgeschafft, durch die die Sufaki fast zu Sklaven gemacht worden waren, und nahmen ihre Vertreter in den Upei auf. Aber für t'Tefur ist das nicht genug. Er will mehr, und das ist die Wurzel der Verbitterung.«
»Es ist die Religion«, sagte Ptas. »Sufaki haben viele Götter und glauben an Magie und Dämonen. Nicht alle. Die Familie Bels ist aufgeklärter. Aber kein Indras wird jemals seinen Fuß in ihren Tempelbezirk setzen, das sogenannte Orakel Phans. Und in Zeiten wie diesen ist es sogar gefährlich, sich nachts in die Nähe der Mauerstraße zu wagen. Wir beten an unseren eigenen Herdfeuern und rufen die Ahnen an, die wir mit den Häusern jenseits der Trennenden See gemeinsam haben. Wir wollen nichts von ihnen, wir tun ihnen nichts Böses, aber sie hassen uns.«
»Warum einigt ihr euch nicht mit Indresul?« fragte Kurt.
»Weil es unmöglich ist«, antwortete Nym. »Wir sind von Nephane. Wir haben lange unter Sufaki gelebt; wir mußten mit den Menschen fertig werden. Wir können die Dinge nicht widerrufen, die wir als Wahrheit erkannt haben. Wir werden kämpfen, wenn man uns dazu zwingt, auch gegen Indresul. Die Sufaki scheinen das nicht zu glauben, aber es ist so.«
»Nein«, sagte Kurt leidenschaftlich. »Nein. Zieht nicht in den Krieg.«
»Das ist ein sehr guter Rat«, sagte Nym nach einer kurzen Pause, »aber vielleicht sind wir nicht in der Lage, den Gang der Dinge selbst zu bestimmten. Wenn ein Mann vor einem unlösbaren Problem steht, wenn seine Existenz nicht mehr mit dem Himmel im Einklang steht und allein sein Dasein eine Störung des
yhia
darstellt, dann muß er den Tod wählen, um die Ordnung wiederherzustellen. Und er trifft die richtige Wahl, wenn er es ohne Gewalt erledigt. In den Augen des Himmels sind auch die Völker dieser Logik unterworfen. Selbst Völker werden manchmal zum Selbstmord gezwungen. Sie haben ihre eigenen Methoden dafür – da sie aus vielen Köpfen bestehen und nicht nur aus einem, können sie ihr Ende nicht mit der Würde eines Einzelwesens vorausbestimmen – aber das Ende ist das gleiche.«
»Bitte, verehrter Vater«, sagte Kta, »rede nicht von solchen Dingen.«
»Glaubst du auch an Omen wie Bel? Ich nicht, zumindest glaube ich nicht, daß Worte, in böser Absicht oder leichtfertig geäußert, Gewalt über die Zukunft haben. Die Zukunft existiert bereits in unseren Herzen und wartet darauf, Wirklichkeit zu werden, wenn es an der Zeit ist. Unsere eigene Natur ist unser Schicksal. Du bist noch jung, Kta, du verdienst ein besseres Los, als mein Alter es dir geben kann.«
Lange herrschte Schweigen im
rhmei
. Plötzlich beugte sich Kurt tief zu Boden, eine Geste, die die Erlaubnis um eine Frage bedeutete. Nym blickte ihn an.
»Ihr habt doch eine Methi«, sagte Kurt, »die keinen Krieg will. Gebt mir den Auftrag, mit ihr zu sprechen als ein Mensch zum anderen.«
Eine Weile herrschte bedrücktes Schweigen. Kta öffnete den Mund zu einem Protest. Aber Nym nickte zustimmend.
»Geh zu ihr«, sagte er.
Kurt stand auf und zog seinen
ctan
zurecht. Er verbeugte sich und wandte sich zum Gehen. In der Halle hörte er Schritte hinter sich. Er glaubte, es sei Hef, dessen Pflicht es war, ihm die Tür zu öffnen. Aber es war Kta, der ihn kurz vor der Tür einholte.
»Sei vorsichtig«, warnte Kta. Und als er die Tür öffnete und in das Dunkel hinausblickte, setzte er hinzu: »Kurt, ich werde dich zum Afen begleiten.«
»Nein«, sagte Kurt. »Dann müßtest du dort auf mich warten, und um diese Stunde würde man dich bemerken. Wir wollen doch nicht mehr Aufsehen erregen, als unbedingt
Weitere Kostenlose Bücher