Hanan 1 - Brüder der Erde
nötig ist.«
Aber als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte und er auf die dunkle Straße hinaustrat, überkam ihn ein unsicheres Gefühl. Es war stiller als sonst. Ein Mann in einer gestreiften Robe stand in einem Hauseingang auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Kurt ging rasch die Straße hinauf, die zum Afen führte.
Djan lehnte sich an das Fenster, das auf die See hinausging. An diesem Abend trug sie menschliche Kleidung, ein enganliegendes Kleid aus schimmerndem Synthetikmaterial, das ihre schlanke Figur betonte. Es wirkte so provokativ, daß sie es in Gegenwart der zurückhaltenden Nemet sicher nicht tragen würde.
»Der Botschafter Indras reist morgen wieder ab«, sagte sie. »Verdammt, hättest du nicht warten können? Ich bin selbst der Sitzung des Upei ferngeblieben, um ihn so wenig wie möglich durch den Anblick von Menschen zu provozieren, und du läufst hier einfach durch sämtliche Hallen! Er wohnt einen Stock tiefer. Wenn er oder einer seiner Leute zufällig aus ihren Gemächern kommen...«
»Dies ist kein privater Besuch.«
Djan atmete langsam aus und deutete auf einen Stuhl. »Elas und der Vorfall im Upei. Ich habe davon gehört. Warum haben sie dich zu mir geschickt?«
»Sie haben mich nicht geschickt. Aber wenn du irgendeine Möglichkeit haben solltest, die Situation unter Kontrolle zu bringen, dann solltest du etwas unternehmen, und zwar sehr bald.«
Ihre kühlen, grünen Augen musterten ihn. »Du hast Angst. Elas muß dir eine Menge erzählt haben.«
»Wenn die Entwicklung hier so weitergeht, braucht Indresul eines Tages nur noch die Scherben zusammenzukehren. Bis jetzt gab es hier ein Gleichgewicht der Kräfte, Stabilität. Du hast sie zerstört und...«
»Ist das Nyms Ansicht?«
»Nein. Hör mir zu.«
»Ja, es gab ein Gleichgewicht der Kräfte«, sagte Djan zustimmend, »ein Gleichgewicht zum Vorteil der Indras und zum Nachteil der Sufaki. Ich habe nichts weiter getan, als da einen Ausgleich zu schaffen. Und das paßt den Indras natürlich nicht.«
»Ausgleich? Schaffst du diesen Ausgleich mit Shan t'Tefur?«
Sie hob den Kopf, und ihre Lider zogen sich etwas zusammen, aber sie lächelte. Sie hatte ein wunderbares Lächeln, selbst wenn kein Humor darin lag. »Verstehe«, sagte sie. »Ich hätte dir vorher von ihm erzählen sollen, meinst du. Jetzt ist dein empfindlicher Stolz verletzt.«
»Mein Stolz steht hier nicht zur Debatte«, sagte er und wollte noch etwas hinzufügen, bedauerte dann aber, überhaupt auf ihre Bemerkung eingegangen zu sein. Immerhin hatte er sie irgendwie gemocht, und vielleicht hatte auch sie irgendein Gefühl für ihn.
»Shan«, sagte sie, »ist ein Freund. Seine Familie hat einmal über große Teile dieses Landes geherrscht. Er glaubt, daß er mich benutzen kann, um seine Ziele zu erreichen, die sehr ehrgeizig sind. Aber er lernt allmählich, daß ich mich nicht benutzen lasse. Er ist natürlich wütend, daß du hier aufgetaucht bist, aber er wird sich irgendwann an den Zustand gewöhnen. Ich vertraue ihm nicht mehr als dir, sobald seine eigenen Interessen auf dem Spiel stehen. Ich versuche, jedes eurer Worte abzuwägen und herauszufinden, wo euer Interesse liegt.«
»Aber du selbst bist natürlich perfekt.«
»In dieser Regierung muß es nicht unbedingt eine Methi geben. Methis erfüllen eine Aufgabe, wenn es von Vorteil ist, eine zu haben: in Krisenzeiten, um die gesamte zivile und militärische Organisation zu einem einzigen, schlagkräftigen Instrument zusammenzufassen. Mein Daseinszweck ist ein anderer. Ich bin nur aus einem einzigen Grund die Methi von Nephane: Ich bin weder Indras noch Sufaki. Ja, es stimmt, daß die Sufaki mich unterstützen. Wenn ich zurücktreten würde, wäre meine Nachfolgerin mit Sicherheit eine Indras, dafür würden die großen Indras-Familien, schon sorgen. Der Upei wird völlig von ihnen beherrscht: Adel ist Voraussetzung für Sitz und Stimme im Rat, und von den Sufaki gibt es nur noch drei Adelshäuser, die anderen wurden vor tausend Jahren von den Indras ausgerottet. Nun heiratet eine Elas-Tochter in ein Sufaki-Haus, damit auch Osanef zu den Familien zählt. Der Upei macht die Gesetze. Die Ratsversammlung mag zwar Sufaki sein, aber sie kann die Gesetzesvorlagen, die ihr vom Upei vorgelegt werden, nur annehmen oder verwerfen. Die Ratsversammlung hat seit dem Tag ihrer Gründung nicht einmal den Mut aufgebracht, auch nur ein einziges Gesetz durch ihr Veto zu Fall zu bringen. Was also haben die Sufaki außer
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