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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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Sie betrifft. Die Meinung eines Mannes von Ihrer Erfahrung hingegen, ja, das wäre geradezu unwiderlegbar, nicht wahr?«
    Mr Blake hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. »In der Tat«, sagte er.
    »Außerdem«, fuhr Alice rasch fort. »Sie müssen es mit eigenen Augen sehen, nicht einfach meinen Worten vertrauen.« Sie holte tief Luft. »Ich bin fest entschlossen«, murmelte sie. Sie senkte den Blick. Mr Blake sah, wie sich ihre Lippen bewegten, als zähle sie, eins … zwei … drei … , dann warf sie sich den Umhang von ihren Schultern.
    Alice stand reglos und schweigend da, so nackt wie eine Statue in einem Brunnen, der Umhang umspielte in Wellen ihre Knöchel. »Sagen Sie mir«, meinte sie nach einem Augenblick unerträglichen Schweigens. »Ist dies der Körper eines Hermaphroditen? Sie haben Medizin studiert. Sie haben zahlreiche unbekleidete Frauen gesehen. Sie haben einer gewissen Anzahl von ihnen beigelegen. Sie kennen ihre geheimen Stellen, ihre intimsten Körpergeheimnisse. Sie wissen, was Sie sehen sollten, wenn Sie sie betrachten. Sagen Sie mir jetzt, ob das, was Sie vor sich sehen, eine Frau ist oder ein Mann oder eine unnatürliche Verknüpfung beider Geschlechter. Eine Abscheulichkeit. Ein Ungeheuer, das höchstens in ein Museum gehört.«
    Mr Blake betrachtete seine Füße. »Meine liebe Miss Talbot«, murmelte er.
    »Sehen Sie mich an«, befahl sie. »Sehen Sie mich an und sagen Sie mir, was Sie sehen.«
    Was Mr Blake tatsächlich sah, als er aufblickte, war ein blasser, schmaler Körper, der kaum von den Hügeln und Tälern von Brüsten, Taille oder Hüften unterbrochen wurde. Er sah breite Schultern und starke Arme mit gewaltigen Händen. Er sah einen flachen Magen und lange Beine mit schmalen Oberschenkeln. Er sah ein dunkles Dreieck an der Wurzel ihres Bauches. Er starrte das dunkle Dickicht aus Frauenhaar an. Es wirkte so nichtssagend wie all die anderen, die er gesehen hatte, auch wenn er wusste, dass sich jegliche Geheimnisse, die darin verborgen sein mochten, nicht aus zehn Schritten Entfernung ergründen lassen würden.
    »Ich glaube«, flüsterte Mr Blake, »dass Sie kein Mann sind, ganz und gar nicht.«
    Es reichte nicht. »Sie müssen mehr sehen.« Alice durchschritt das Zimmer und legte sich auf das Bett. Sie hob die Knie und spreizte die Beine, den Blick auf die Zimmerdecke gerichtet. »Sie müssen sichergehen. Sehen Sie her. Sehen Sie! Sie müssen sich sicher sein. Sagen Sie mir, was Sie sehen. Sagen Sie mir, dass Sie wissen, dass ich eine Frau bin, nicht dass Sie glauben, ich sei kein Mann.«
    Mr Blake blickte zu Boden.
    Alice starrte ihn über ihre weit gespreizten Knie hinweg an. »Kommen Sie schon, Mr Blake«, sagte sie. »Sagen Sie mir, was ich bin. Um unser beider willen.«



1
    Lilians Haushalt war bald dafür bekannt, dass dort alle möglichen einheimischen Erzeugnisse – Seidenstoffe und Saris, Möbel und Kunstwerke, Farbpigmente, Lebensmittel, Arzneien und Tränke – von der hellhaarigen bibi memsahib gekauft wurden. An der Pforte zu ihrem Bungalow drängten sich stets hausierende boxwallahs, die mit ihren Waren vom Basar gekommen waren und sie Lilian feilboten. Sie ließ sich bei ihrer Auswahl teils von Mr Hunter und teils von bestimmten Mitgliedern ihres eigenen Haushalts beraten. Die britische Etikette verlangte, zusammen mit der britischen Trägheit (und in Anerkennung des Kastensystems), dass mindestens dreizehn Dienstboten in einem Haus waren, in dem gerade einmal zwei Europäer residierten. Lilian war sich bewusst, dass diese Zahl sowohl von Indern wie auch von Engländern als bescheiden, wenn nicht gar armselig betrachtet wurde – Mr und Mrs Birchwoode und ihre Tochter Fanny benötigten über vierzig, die sich um ihre diversen Bedürfnisse des Alltags kümmerten. Vom khansamah, der sich um Lilians Tafel kümmerte, bis zum bawarchi und seinem Gehilfen, die in der Küche arbeiteten, dem dhobi, der ihre Kleidung wusch, und dem istri wallah, der sie bügelte, der ayah, die ihr beim Anziehen half, den zahlreichen Trägern, die nötig waren, um an den punkahs zu ziehen und das Mobiliar abzustauben, den Rasenmähern und Gärtnern, den Wasserträgern und Pförtnern, entsann Lilian sich kaum, wer was tat und wann, selbst in ihrem eigenen Zuhause.
    Anfangs war es schier unmöglich gewesen, sich mit jemandem aus der Riege ihrer Dienstboten zu unterhalten – sogar wenn Lilian sie in deren Muttersprache Hindi anredete. Doch dank ihrer Hartnäckigkeit fand sie heraus, dass

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