Hannas Wahrheit (German Edition)
an.
„Das steht nicht auf der Webseite. Woher weißt du das?“
Sie entschied sich, eine direkte Frage zu stellen und nicht mehr weiter um den heißen Brei herum zu reden.
„Marie, benutzt ihr die Menschen in euren afrikanischen Projektdörfern, um neue Medikamente zu testen?“
Marie sah sie mit blitzenden Augen an. „Weißt du, Hanna, ich hätte es wissen müssen, dass du kein gutes Haar an irgendetwas lässt, was mit Armin zu tun hat. Wie kommst du auf so einen Blödsinn? Hat dir das dieser Major Wahlstrom in den Kopf gesetzt?“
„Nein“, erklärte sie ruhig. Die Wangen ihrer Schwester färbten sich rot, und ihre Augen füllten sich mit Wasser. Der Stimmungsumbruch bei Marie war so schlagartig, dass sie Unbehagen verspürte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrer Schwester.
„Warum musst du alles in den Dreck ziehen, was mit Medicares zu tun hat? Du hast schon einmal versucht, Medicares mit einem Skandal zu ruinieren, und hattest keinen Erfolg. Lass es einfach sein.“
„Ich möchte wissen, weshalb afrikanische Kinder sterben mussten.“
„Verflucht noch mal: Weil sie in einem Land leben, in dem das Leben eines Kindes keinen Pfifferling wert ist. So einfach ist das. Schluss und Ende.“
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Marie, so einfach ist es nicht.“
Marie sprang auf. „Wir benutzen keine Menschen als Versuchskaninchen, hast du verstanden! Wir verzichten auf Geld, damit kranke Menschen in Entwicklungsländern die Möglichkeit haben, auch eine Therapie zu erhalten. Und nicht nur das, wir forschen sogar an einem Medikament, das vielleicht alle mit HIV befallenen Zellen eines Menschen zerstört. Und weißt du, was das bedeutet?“ Ihre Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn. Sie trat dicht vor Hanna, beugte sich herunter und funkelte sie an. „Dass wir auf viel Gewinn verzichten werden, wenn wir erfolgreich sind.“
„Frau Benner?“, eine junge Frau sah mit großen Augen Marie an und warf ihr einen unsicheren Blick zu.
„Ja, Jenny, ich weiß, ich komme.“
Ohne sich von ihrer Schwester zu verabschieden, verschwand Marie mit der jungen Frau im Inneren des Gebäudes. Hanna ließ langsam die Luft heraus, die sie angehalten hatte. Maries Empörung war echt und nicht gespielt. Aber das half ihr nicht weiter. War Marie empört, weil Hanna dachte, Medicares würde kriminell handeln, oder weil sie es taten? Noch nie war sich Hanna so unsicher gewesen, was in dem Kopf ihrer Schwester vorging.
Hanna prüfte nochmals den Zettel mit der Adresse. Nein, sie hatte sich nicht vertan. Ein Türvorsteher musterte sie von oben bis unten. Die Schlange mit Leuten hinter ihr war für einen Montag erstaunlich lang. So wie alle angezogen waren, kam sie sich völlig deplatziert vor. Es war ein bunt gemischter Haufen der urigsten Gestalten. Sie musste sich bremsen, um nicht ihre Kamera zu zücken und Fotos zu schießen. Die Nikon hatte sie sicherheitshalber in ihren Rucksack gepackt, damit sie zwischen den anderen nicht noch mehr auffiel. Einige der Wartenden waren verkleidet, als Aliens oder Trekkies, oder liefen in langen Ledermänteln, ganz in Schwarz, herum. Nur ihr Rucksack passte hierher.
„Losung?“, fragte sie der bullige Türvorsteher ein zweites Mal. Hinter ihr gab es Gemurre. Hanna beugte sich zu ihm vor, damit die hinter ihr nichts verstehen konnten. So hatte sie es bei den anderen gesehen, die vor ihr Einlass bekommen hatten. „Hack the planet“, flüsterte sie leise und kam sich dabei ziemlich albern vor. Ein letzter skeptischer Blick, dann wurde sie in das Gebäude hineingelassen.
Der Lärm war bereits auf der Straße zu hören gewesen, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was sie drinnen empfing. Sie konnte fühlen, wie sich ihr Herz auf den Beat der Musik einstellte. Auf der Tanzfläche drängte sich eine dichte Menge, die den Rhythmus mit ihren Körperbewegungen aufnahm. Viktor hatte gesagt, sie müsste in den hinteren Bereich kommen, also schob sie sich zwischen den Leuten, die an der Theke standen, hindurch. Als sie den nächsten Raum betrat, war von der Musik nur noch ein dumpfer Geräuschpegel zu hören. Dort saßen Männer und Frauen an Tischen, manche offenbar gerade erst an der Grenze zu achtzehn, vor sich Laptops, mit Headsets, die Augen konzentriert auf den Bildschirm gerichtet.
Jemand tippte ihr auf die Schulter. „Hi, da bist du ja. Komm mit, dann stelle ich dir Paddy vor.“
Nina zog sie am Ärmel auf eine weitere Tür zu. An der Seite gab die junge Frau einen
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