Happy End in Seattle (German Edition)
Lieferwagen.
Angenehme Stille herrschte in ihrem Haus, als sie die Tür aufschloss. Behutsam hob Steve das Baby aus seinem Sitz und legte es in sein Bettchen. Auf das Schlimmste gefasst, warteten sie beide einige Minuten lang mit angehaltenem Atem. Als Ellen sich nicht muckste, verließen sie schließlich auf Zehenspitzen das Zimmer.
„Ich danke dir“, flüsterte Hallie.
„Keine Ursache“, gab Steve zurück. „Solange du nicht vergisst, dass du mir tausend Dollar schuldest.“
Hallie öffnete den Mund, um ihn gleich darauf stöhnend wieder zu schließen. Sie hatte diesen albernen Handel tatsächlich völlig vergessen.
Steve lächelte belustigt. „He, mach dir keine Gedanken. Ich nehme Kreditkarten.“ Nachdem er das gesagt hatte, küsste er sie auf die Stirn und verschwand.
Hallie hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass Einkaufen eine gute Therapie war, und so beschloss sie am folgenden Wochenende, sich selber eine Belohnung zu spendieren. Donnalee fand die Idee fabelhaft und wollte selbstverständlich mitmachen. Sie hatten beide mehr als genug Grund, sich einen Einkaufsbummel zu gönnen. Nicht die normale Schnäppchenjagd in irgendeinem Kaufhaus, das mit herabgesetzten Preisen lockte, o nein! In ihrer derzeitigen emotionalen Flaute sei hemmungsloser Konsum angesagt, hatte Donnalee erklärt.
„Weißt du, dass ich mein Weihnachts-Sparkonto für diesen Trip abgeräumt habe?“ bemerkte Hallie, als sie sich der kanadischen Grenze näherten.
„Das macht nichts“, erwiderte Donnalee, während sie sich in die Schlange der vor der Zollschranke wartenden Fahrzeuge einreihte. „Bis Weihnachten bist du verheiratet, und dein reicher Ehemann wird die Rechnungen bezahlen.“
Ehemann … dachte Hallie. Wie oft hatten sich in den letzten Monaten ihre Gedanken und Pläne um dieses Wort gedreht? Ehemann. Heirat. Familie. Inzwischen glaubte sie zu wissen, was diesen Wendepunkt in ihrem Leben bewirkt hatte.
„He, was ist?“ Donnalee warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. „Du sieht ja plötzlich so ernst aus.“
Hallie zwang sich zu einem Lächeln. Dann beschloss sie, sich Donnalee anzuvertrauen. Mit wem, wenn nicht mit ihr, konnte sie über die seelische Krise sprechen, die letzte Woche aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen war?
„Was ist los?“ fragte Donnalee noch einmal.
„Mein Vater ist schon seit einem Jahr tot, aber nie hat er mir mehr gefehlt als jetzt.“ Die Stimme versagte ihr. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen von der Wange. Schließlich brachte sie ein klägliches Lachen zu Stande. „Entschuldige, dieser Gefühlsausbruch war nicht vorgesehen.“
„Hallie, ich bin’s, Donnalee, deine beste Freundin. Hast du das vergessen?“
Hallie wühlte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. „Und auch an Gregg muss ich in letzter Zeit dauernd denken. Ich hätte ihn heiraten sollen. Unbewusst war mir das damals schon klar, aber ich war zu … starrsinnig, um zu erkennen, dass ich eigentlich dasselbe wollte wie er.“
„Gregg Honeycutt? Ich dachte, ihr hättet euch schon vor Jahren getrennt?“
„Das haben wir ja auch. Er wollte heiraten und ich nicht.“ Sie unterbrach sich, um ihre Nase zu putzen. „Verkehrte Welt, dass zur Abwechslung mal der Mann heiraten will, was? Ich hatte damals gerade ziemlich viel Geld aufgenommen, um Artistic License auf die Beine zu stellen, und ich wollte nicht, dass mein Privatleben mir geschäftlich in die Quere kommt.“
„Du meinst, du hättest Gregg heiraten sollen?“ Donnalees Frage klang ausgesprochen skeptisch.
„Oh, ich weiß es auch nicht.“ Hallie seufzte tief auf. „Im Nachhinein ist das schwer zu sagen. Er war so ein Schatz, und ich liebte ihn.“ Sie hielt inne. „Aber offenbar nicht genug“, fügte sie dann nachdenklich hinzu.
„Und wieso musst du plötzlich so intensiv an ihn denken?“ fragte Donnalee.
Hallie wusste es selbst nicht genau. Zu Weihnachten hatte sie eine Foto-Karte von Gregg, seiner Frau und ihren beiden Kindern erhalten. Er sah glücklich aus, richtig glücklich. Und seine Frau auch. Nach dem Wochenende mit Ellen hatte sich Hallies Wunsch nach einer eigenen Familie noch verfestigt. Vermutlich war ihr deshalb Greggs Familienfoto eingefallen. In ihrer Fantasie hatte nicht seine Frau, sondern sie an seiner Seite gestanden – aber nur für einen kurzen Moment.
„Es ist, als hätte sich ein großes Loch in mir aufgetan“, bekannte sie, abwesend das feuchte Taschentuch um den Zeigefinger wickelnd.
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