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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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einige der Frauen dort arbeiten abends als Babysitter.«
    »Echt?«
    »Sieh’s doch mal von der guten Seite: Du hast die Wehen nicht durchmachen müssen.«
    Rune rückte näher an ihn heran und legte den Kopf auf seine Brust. »Wieso schlittere ich immer in solche Sachen rein?«
    »Sie ist ein süßes kleines Mädchen.«
    Rune legte die Arme um ihn. »Die sind alle süß, wenn sie schlafen. Das Dumme ist, dass sie nach einer Weile aufwachen.«
    Er fing an, ihr die Schultern zu massieren.
    »Das ist schön.«
    »Ja«, sagte er, »ist es.«
    Er massierte fünf Minuten lang weiter und arbeitete sich mit seinen starken Fingern an ihrer Wirbelsäule abwärts. Sie stöhnte. Dann zog er ihr das T-Shirt hoch und fing an, sich unter den Stoff vorzutasten.
    »Das ist noch schöner«, sagte sie und drehte sich auf den Rücken.
    Er küsste sie auf die Stirn. Sie küsste ihn auf den Mund, wobei sie das Kitzeln seines Schnauzers spürte. Es war ein Gefühl, an das sie sich gewöhnt hatte, das sie sehr mochte.
    Healy erwiderte ihren Kuss. Seine Hand, immer noch unter ihrem T-Shirt, wanderte nach oben. Er entschärfte Bomben; seine Berührungen waren sehr sanft.
    »Rune!«, ertönte ein schriller Schrei von Courtney.
    Beide schreckten hoch.
    »Lies mir eine Geschichte vor, Rune!«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Um Himmels willen, Sam, was soll ich nur machen?«

9
    Der Zug nach Harrison, New York, fuhr pünktlich ab und tauchte wie ein altes Flugzeug, das langsam an Höhe gewinnt, auf den aufgebockten Schienen aus dem Tunnel unter der Park Avenue auf. Rune schwirrte der Kopf, als sie die roten Backsteingebäude und die Gruppen junger Männer auf der Straße sah. Keiner trug farbenfrohe Kleidung; alles war grau und schwarz. Eine Frau schob einen Einkaufswagen voller Lumpen vor sich her. Zwei Männer standen, die Hände in die breiten Hüften gestemmt, über die offene Haube eines beigen Cabrios gebeugt und schienen sich eine hoffnungslose Diagnose zu bestätigen.
    Der Zug raste in nördlicher Richtung durch Harlem, und die Szenerie huschte rascher vorbei. Rune, die nach vorn gebeugt auf den Knien saß, spürte das Schlingern, als die Räder wie die Hüften eines Stierkämpfers zur Seite ruckten und sie die Harlem River Bridge überquerten. Sie winkte den Passagieren eines Circle-Line-Bootes zu, die zu der Brücke aufblickten. Niemand nahm sie zur Kenntnis.
    Dann waren sie in der Bronx – kamen an Läden für Installationsbedarf und Holzlagern vorbei und, in der Ferne, an verlassenen Wohnungen und Lagerhäusern. Durch die Fenster in den oberen Stockwerken war der Himmel zu sehen.
    Man wacht morgens auf und denkt …
    Rune versuchte zu dösen. Aber immer wieder sah sie das Video mit Boggs’ Gesicht, aufgeteilt in Rasterlinien und jede Rasterlinie bestehend aus tausend Pixeln aus roten, blauen und grünen Punkten.
    … Verdammt, ich bin immer noch hier.
     
    Die Art, wie ihre Augen sie anblickten, war gruselig Sie hatte sich vorgestellt, die Häftlinge würden sie mit einer Menge Müll eindecken – pfeifen oder ›Jau, Süße‹ rufen oder sie lange und schleimig anstarren.
    Aber nichts da. Sie schauten sie an wie Arbeiter am Fließband einen Fabrikbesucher anstarren würden, der sich schüchtern zwischen den großen Maschinen bewegt und darauf achtet, keine Schmiere an die Schuhe zu bekommen. Sie schauten, ignorierten, fuhren fort, Böden zu wischen oder mit Kumpeln und Besuchern zu reden oder überhaupt nicht viel zu tun.
    Der Vizedirektor hatte ihren Presseausweis kontrolliert, und Wärter hatten ihre Tasche und die Kameratasche durchsucht. Dann wurde sie von einem großen Wärter in den Besuchstrakt geführt – einem gut aussehenden Schwarzen mit Schnauzer, der aussah, als hätte er ihn mit Mascara aufgemalt. Besucher und Insassen des Staatsgefängnisses in Harrison waren durch dicke Glasscheiben getrennt und unterhielten sich mit Hilfe alter, schwerer schwarzer Telefonhörer.
    Rune blieb einen Moment stehen und betrachtete alles. Stellte sich vor, wie es wohl wäre, einen Ehemann im Gefängnis zu besuchen. Wie traurig! Nur mit ihm zu sprechen, den dicken Hörer zu halten, die Hand auszustrecken und das Glas zu berühren, ohne je das Gewicht oder die Wärme seiner Haut zu spüren …
    »Hier rein, Miss.«
    Der Wärter führte sie in einen kleinen Raum. Sie vermutete, er war für vertrauliche Gespräche zwischen Anwälten und ihren Häftlingen reserviert. Der Wärter verschwand. Rune setzte sich an einen grauen Tisch.

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