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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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erinnerte sich, dass es sauber und billig gewesen war. Es musste wohl eine Kette sein. Nestor trat vor die Tür, die sich plötzlich öffnete. Er hatte den hoch gewachsenen jungen Mann nicht bemerkt, der, schwarz gekleidet, im Innern stand. »Hallo, Sir«, sagte der Mann.
    »Darf ich Ihre Tasche nehmen?«
    In der Filiale in Miami, erinnerte sich Nestor, hatte es keinen Türsteher gegeben.
    »Ich wollte nur den Typ am Tresen was fragen.«
    Es handelte sich nicht um einen Typ, sondern um eine junge blonde Frau mit französischem Akzent und absolut makellosen Zähnen. Sie lächelte ihn an. »Ja, Sir?«
    »Äh …« Er schaute sich um. Bizarr. Es sah aus wie ein Lagerhaus mit niedriger Decke. Überall Stein- und Metallmöbel. Und eine Menge der Möbel waren in weißes Tuch eingeschlagen.
    »Äh, ich hab mich gefragt, ob Sie wohl ’n Zimmer hätten.«
    »Gewiss, Sir. Wie lange wollen Sie bleiben?«
    »Äh, wie viel würd ’n das kosten? Für ’n Einzelzimmer.«
    Sie zog einen Computer zu Rate. »Vierhundertfünfzig.«
    Für eine Woche ?Waren diese Leute verrückt, verdammt noch mal?
    Jetzt stellte sich die Frage, wie man hier wieder rauskam, ohne dass die Blondine mit den linealgeraden Zähnen einen für ’n komplettes Arschloch hielt.
    »Ich meinte pro Nacht.«
    Kurzes Schweigen. »Nun ja, es handelt sich hierbei um den Tagespreis, Sir.«
    »Na klar. Hab nur Spaß gemacht.« Nestor grinste, sah keine Möglichkeit, die Situation zu retten, und ging einfach hinaus.
    Eine Straße weiter fand er ein Royalton Arms, von dem er wusste, dass es okay war, denn es standen zwei schmutzig wirkende Touristen davor und studierten den Stadtplan von New York City. Der Portier am Tresen hatte hier nicht einmal gerade Zähne, geschweige denn weiße, und er stand hinter einer schusssicheren Plastikscheibe. Nestor nahm ein Zimmer zu 39,95 Dollar und fuhr im Aufzug zur sechsten Etage. Das Zimmer war in Ordnung. Er fühlte sich sofort wohl, nachdem er es betreten hatte. Es bot keinen Blick auf irgendein Meer oder eine Autobahn oder etwas anderes als einen Luftschacht, aber das störte Nestor nicht. Er ließ die Jalousien herunter, legte sich aufs Bett und hörte dem Streit zu, den sein Magen mit den Hot Dogs ausfocht.
    Er schaltete den Fernseher ein und schaute eine Weile eine alte Wiederholung von Miami Vice, zappte einmal durch die Kanäle und schaltete das Gerät wieder aus. Es war nervend, keine Fernbedienung zu haben. Er zog sich aus bis auf die Boxershorts und das ärmellose T-Shirt, putzte sich kräftig die Zähne und ging zu Bett.
    Er schloss die Augen.
    Schnapp. Die Bilder setzten ein.
    Nestor hatte oft Mühe, einzuschlafen. Er hatte gedacht, vor langer Zeit, es sei etwas Körperliches. Nun ja, mehr gehofft als gedacht. Inzwischen wusste er jedoch, dass dies keineswegs der Fall war.
    Der Grund für seine Schlaflosigkeit waren die Bilder.
    Im Augenblick, wenn sein Kopf das Kissen berührte (sofern nicht jemand dabei war, der ihn ablenkte oder zumindest Ablenkung versprach), im Augenblick, wenn er sich zu schlafen anschickte, setzten die Bilder ein. Er hätte sie vermutlich auch Erinnerungen nennen können, denn eigentlich waren sie nicht mehr als Szenen aus seiner Vergangenheit. Aber Erinnerungen waren etwas anderes. Erinnerungen waren eher wie die Eindrücke, die er von seiner Familie oder von seiner Kindheit hatte. Seinem ersten Auto. Seinem ersten Fick. Vielleicht waren sie genau. Wahrscheinlich nicht.
    Aber die Bilder … Mann. Noch die kleinste Einzelheit.
    Ein philippinischer Revolutionär, den er auf dreihundert Meter mit einer M16 mit Metallvisier abgeknallt hatte, der Mann war zusammengesunken wie ein Sack …
    Ein schwarzer Südafrikaner, der dachte, er sei sicher über die Grenze nach Botswana gelangt …
    Ein Kleiderbügel, mit dem die Hände eines Salvadorianers gefesselt waren, während Nestor dachte, wieso sich die Mühe machen, ihn zu fesseln? In sechzig Sekunden hat er sowieso ’ne Kugel im Kopf …
    Hunderte andere.
    Sie waren schwarz-weiß, sie waren in Farbe, sie waren stumm, sie waren in Dolby Stereo.
    Die Bilder …
    Sie erschreckten ihn natürlich nicht. Er empfand keine emotionale Regung. Er wurde nicht von Schuldgefühlen gequält, sie erregten keine Lust in ihm. Sie gingen einfach nur nicht weg. Die Bilder kamen in seinen Kopf und ließen ihn nicht schlafen.
    Heute Nacht lag Nestor – von der Stadt aufgewühlt und gepeinigt von ihrem Fastfood – in einem zu weichen Bett und wehrte die Bilder ab.

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