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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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spürte, dass der Alkohol auf seinen Lippen brannte. Er musste sich auf der Fahrt einen Sonnenbrand geholt haben.
    »Wann warst du denn in Obispo?«
    »Vor vier, fünf Jahren oder so.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du gesessen hast.«
    Nestor schaute ihn verblüfft an. »Hey, wahrscheinlich gibt’s schon das eine oder andere, das wir nicht voneinander wissen. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie lang dein Schwanz ist.«
    »Lang genug, damit die ein, zwei Stunden lang am Grinsen ist.« Sein Blick schweifte zur Bar, wo eine rundgesichtige junge Frau mit zweifarbig getöntem Haar – blond, wieder in Schwarz übergehend – saß, den Ellbogen auf dem Tresen, die Hand erhoben, so dass ihre Zigarette zur Decke zeigte wie ein sechster Finger. Vor ihr stand ein beinharter Martini. So wie sie mit leerem Blick auf den Bildschirm starrte, dachte er sich, dass der Drink das letzte Glied einer langen Kette war.
    »Die kannst du haben. Die hat keine Titten«, sagte Nestor.
    »Klar hat sie welche. Die sitzt nur so zusammengekauert da.«
    Das Essen kam und beanspruchte die Aufmerksamkeit der beiden Männer. Boggs aß, stellte aber fest, dass ihm der Appetit vergangen war. Vielleicht war das Steak zu fett. Vielleicht hatten die Burger ihn gesättigt, oder der Alkohol hatte ihm die Geschmacksknospen verbrannt. Er dachte an Rune, an das kleine Mädchen. Er aß ganz mechanisch. Er schaute zu der Frau hinüber, die seinen Blick auffing und ihn eine Weile erwiderte, bevor sie sich wieder dem Fernseher zuwandte. Er grübelte noch ein bisschen, bevor er sich entschloss weiterzuessen. Das Essen würde ihn vielleicht nüchtern machen.
    Boggs aß auf, während Nestor den Teller noch halb voll hatte.
    »Mann«, sagte Boggs. »Das war ein Essen.«
    Nestor warf einen Blick auf Boggs’ dünnen Bauch. »Wenn du so frisst, wieso wirst du dann nicht fett?«
    »Keine Ahnung. Hab noch nie zugenommen. Kann nichts dafür.« Boggs verstummte, als er wieder zu dem Mädchen an der Bar blickte. Diesmal schenkte sie ihm ein flüchtiges Lächeln.
    Nestor sah es auch. »Oh-oh.« Er lächelte. »Der Knastbruder wird flachgelegt.«
    Boggs trank sein Bier aus. »Was dagegen, wenn ich für circa ’ne Stunde das Zimmer in Beschlag nehme?«
    »Scheiße, Kleiner, wenn du dir im Knast nicht jede Nacht einen runtergeholt hast, dann brauchst du grade mal fünf Minuten.«
    »Na ja, gib mir trotzdem ’ne Stunde. Vielleicht wollen wir’s ja zweimal machen.«
    »Okeydokey«, sagte Nestor. »Aber sieh zu, dass sie um eins den Arsch rausschiebt. Ich bin müde und brauch Schlaf.«
    Boggs stand auf und ging langsam auf die Bar zu, wobei er versuchte sich zu erinnern, wie man sich cool und lässig bewegte, versuchte sich zu erinnern, wie man Frauen ansprach, versuchte sich an eine ganze Menge zu erinnern.

27
    Boggs und das Mädchen waren seit einer halben Stunde gegangen, als Jack Nestor den erbärmlichen Apfelkuchen aufaß und die Eiscreme von seiner Gabel leckte. Er nahm den letzten Schluck Kaffee und bat um die Rechnung.
    Die Bar hatte sich inzwischen ziemlich geleert, und von der Kellnerin abgesehen, gab es niemanden, der sah, wie er aufstand und nach draußen auf den Parkplatz ging. Er schaute hoch und sah, dass in ihrem Zimmer das Licht brannte. Er öffnete den Kofferraum des Autos und holte seine Pistole heraus. Er verbarg die Waffe unter seiner Jacke und stieg die Stufen zum ersten Stock hoch, um dann langsam über die offene Galerie zum Zimmer zu gehen. Er hatte daran gedacht, den anderen Schlüssel aus dem Büro zu holen, aber dann hätte der Portier ihn noch einmal gesehen. Er hatte beschlossen, einfach an die Tür zu klopfen und, wenn Boggs öffnete, ihn in den Wanst zu schießen – in seinen – Keine-Ahnung-ich-ess-nur-und-werd-nicht-fett-Wanst. Und dann das Mädchen abzumurksen, wenn sie noch da war.
    Er blieb stehen. Was war das für ein Geräusch? Der Fernseher? Die fickten, und der Fernseher war an? Vielleicht war sie eine Sirene, und Boggs ließ den Ton laufen, damit die anderen Gäste nichts hörten. Das war gut. Vielleicht war es eine Polizeiserie, und da würden Schüsse fallen, und das würde helfen, den Knall der Steyr zu überspielen.
    Nestor ging näher an die Tür heran. Er zog den Schlitten der Pistole zurück. Er sah etwas aufblitzen.
    Dieser blöde Wichser …
    Boggs war so geil, dass er den Schlüssel in der Tür hatte stecken lassen, die nicht einmal richtig geschlossen war. Nestor musste sie nur aufdrücken. Er vergewisserte sich, dass die

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