Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
können.
An der Wand entlang machte ich mich auf den Rückweg. Vorsichtig watete ich durch die verbrannten Bücher, Bretter und Kissen wie ein Polarforscher, der weiß, dass er den Pol nie erreichen wird. Plötzlich sah ich ein Licht durch die Türritze scheinen. Ich blieb reglos stehen. Das Licht verschwand, dann kehrte es wieder zurück. Ich hielt die Luft an.
Ein Trugbild meiner Müdigkeit und Erschöpfung? Nein, es war jetzt ganz deutlich: Irgendjemand war da draußen und leuchtete systematisch die Tür ab. OEM ? FBI ? Einbrecher? Ich hatte nichts außer einer Suppenkelle, um mich zu verteidigen, und keine Kraft, um sie zu benutzen.
Die Tür öffnete sich. Eine hoch gewachsene Gestalt stand auf der Schwelle, zögerte aber, den Raum zu betreten. Stattdessen leuchtete sie mit der Taschenlampe herum, ohne mich zu entdecken. Dann drehte sie sich in den Flur um, und bei dieser Bewegung fiel das Licht der Taschenlampe auf ihr Gesicht und ihr stacheliges blondes Haar.
»Petra Warshawski!«, rief ich. »Was machst du denn hier?«
28
Die Nonnen
Die Taschenlampe fiel scheppernd zu Boden, und meine Cousine stieß einen Schrei aus. Als ich mich bückte, um die Lampe aufzuheben, glaubte ich flüchtende Schritte zu hören. Ich schob mich an Petra vorbei und leuchtete den Korridor hinunter, sah aber niemanden.
»Wer war das?«, fragte ich.
»Vic … Du bist das!« Petra atmete heftig. Sie hatte Angst. »Ich dachte, du wärst im Krankenhaus.«
»Das war ich auch. Was machst du hier, und wer ist mit dir hier gewesen?«
»Niemand. Ich bin allein hier.«
»Du bist eine schlechte Lügnerin, Petra. Du hast bestimmt nicht den Nerv, allein und bei Dunkelheit in ein ausgebranntes Gebäude zu kommen. Also? Wer war das?«
»Nur ein Kumpel von der Kampagne, der mit mir arbeitet«, murmelte sie. »Er ist weggerannt, als ich geschrien habe. Ich will nicht, dass er Ärger kriegt, also frag mich bitte nicht, wie er heißt. Ich werd’s dir nicht sagen. Auf jeden Fall brauchst du mich nicht so anzuschreien. Ich bin wegen dir hier.«
»Ach, wirklich?« Ich war so schwach, dass ich mich an den rußgeschwärzten Türrahmen lehnen musste. »Und welche edle Tat wolltest du gerade für mich vollbringen?«
»Onkel Sal hat mir gesagt, du hättest deine Handtasche mit allen Sachen hiergelassen. Ich dachte, ich könnte vielleicht danach suchen. Onkel Sal hat gesagt, bald würden hier die Jungs aus der Nachbarschaft einbrechen und alles klauen, was nicht niet- und nagelfest ist.«
»Das klingt ja fast glaubwürdig«, sagte ich bewundernd. »So etwas könnte Mr Contreras tatsächlich gesagt haben.«
»Warum bist du bloß so ein Ekel?«, sagte Petra empört. »Warum glaubst du mir nicht?«
Ich ließ den Strahl der Taschenlampe durch das Zimmer gleiten. »Ich glaube dir doch. Such du nur nach meiner Handtasche. Ich bin zu erschöpft, um mich zu bewegen, aber ich halte die Lampe für dich.«
Sie warf mir einen misstrauischen Blick zu, ging aber hinein. Mit ihren hohen Absätzen wackelte sie auf dem unebenen Boden ziemlich herum. Ich zeigte ihr mit dem Strahl der Taschenlampe, wo ich gesessen hatte.
»Da müsste sie ungefähr sein, wenn sie noch hier ist. Sei bloß vorsichtig! Du musst bei jedem Schritt erst mal den Untergrund testen. Ich möchte nicht, dass du einbrichst.«
Sie ging behutsam um die Überreste des Stuhls herum und kniete sich dann genau wie ich zuvor hin, um den Schutt zu durchsuchen. »Das ist ja echt krass«, sagte sie. »So ähnlich wie Müll-Tauchen.«
»Was geht hier eigentlich vor?« Der Strahl einer zweiten Taschenlampe war plötzlich aufgetaucht.
Ich war so auf Petra fixiert, dass ich gar nicht gehört hatte, wie jemand den Korridor heruntergekommen war. Mein Herz begann rasend zu schlagen. In meinen Ohren pulsierte das Blut wie ein donnernder Ozean. Unaufmerksamkeit in einer solchen Situation war ein sicheres Rezept für einen frühen Tod.
»Wer sind Sie, und was tun Sie in dieser Wohnung? Sie sagen entweder ganz schnell die Wahrheit, oder Sie erklären das alles der Polizei!«
»Ich bin V. I. Warshawski«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Ich war hier bei Schwester Frances, als sie ermordet wurde. Und wer sind Sie?«
»Schwester Carolyn Zabinska.«
Ich hörte gerade noch den Namen, aber ich begriff nichts mehr. Ich versuchte mich umzudrehen, aber die Taschenlampe der Schwester blendete mich. Ich verlor das Gleichgewicht, taumelte, versuchte vergeblich, mich an der Wand festzuhalten. Meine Knie sackten
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