Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
Wave Bands waren und sich vor circa ’nem Jahr noch ziemlicher Beliebtheit erfreut hatten. Wie die Ramones, so benutzen auch die Nelsons auf der Bühne alle denselben Nachnamen. Mickeys richtiger Nachname war Hurray – was für mich eher nach einem erfundenen Namen klang als Nelson. Tommy hatte bei den Bursting Brains gespielt, die wahrscheinlich die erste Hardcore-Band im Nordosten von Ohio waren. Jimi Imij hatte bei den V-Nervz, einer frühen Punk- (aber nicht Hardcore-) Band gespielt, war aber etwas bekannter dadurch geworden, dass er einer der Leute war, die mit dem deutschen Avantgarde-Musiker Klaus Nomi rumhingen, als dieser sich in den späten 70ern für kurze Zeit in Akron niederließ, um sich dort mit der Szene vertraut zu machen. (Zu jenem Zeitpunkt befand sich Klaus schon wieder in Westdeutschland, doch ein wenig später sollte er als einer der ersten Prominenten an AIDS sterben – was Jimi einen ganz schönen Schrecken einjagte.)
Ich bekam übrigens auch einen Punknamen verpasst. Ich war Brad No Sweat, weil ich der Einzige war, der auf der Bühne nicht ins Schwitzen geriet. Tja, es können wohl leider nicht alle Punknamen cool sein. Heutzutage ist es allerdings ebenso unwahrscheinlich, dass ich mich als No Sweat vorstelle, wie mit meinem anderen falschen Namen, Odo, den ich empfing, als ich als buddhistischer Mönch ordiniert wurde. Meine Erfahrung mit Terry hat mir die ganze Sache mit den „spirituellen Namen“ ordentlich vergällt, deshalb nennt mich praktisch jeder „Brad“ (oder, im Falle meiner japanischen Freunde,
Buraddo-san
).
In Akron wuchs die Punkszene ungefähr zwei Jahre lang weiter. Neben Zero Defex gab es an bemerkenswerten Bands Starvation Army, The Urban Mutants und The Agitated. Bands aus Cleveland wie The Offbeats, The Guns und The Dark kamen ebenfalls zu Gigs nach Akron runter. Zero Defex schafften es sogar bis weit hinaus ins exotische Detroit und Toledo. Unsere Reisen unternahmen wir in einem durchgerosteten alten Dodge-Van, der so dicht mit Gitarren, Amps, Drums und Punkrockern vollgepackt wurde, wie es rein physikalisch überhaupt möglich war. Ich erinnere mich noch daran, wie ich und Fraser Suicyde, der Sänger von Starvation Army, uns damit abwechselten, durch eines der größeren Rostlöcher, das wir an der Seite des Vans fanden, vergleichsweise saubere Luft einzusaugen, nachdem uns die ins Cockpit strömenden Auspuffgase ordentlich Angst eingejagt hatten. Auf einen dieser Trips brachte Andy, der Fahrer, eine ausgediente Gummipuppe mit, die er in ’nem Müllcontainer gefunden hatte – und jedes Mal, wenn sich uns ein Auto näherte, duckten Fraser und ich uns aus der Sicht, hielten die Puppe hoch an die Rückscheibe und brachten sie zum Winken. Oh Mann, wir wussten echt, wie man sich amüsiert!
UNGEFÄHR EIN JAHR SPÄTER begann es, schlecht für Zero Defex auszusehen. Wir hatten einen Gig in Dover, Ohio, einer noch hinterwäldlerischeren Stadt als Wadsworth – was ich davor kaum für möglich gehalten hätte. Während es sich bei Wadsworth jedoch um ein ziemlich konservatives Kaff handelte, das von in Akron arbeitenden Geschäftsleuten und deren Familien bewohnt wurde, dem sprichwörtlich „netten Ort, um die Kinder großzuziehen“, war Dover ein echtes ländliches Höllenloch wie aus dem Film
Deliverance
, voller Stiernacken in dreckigen Flanellhemden, die schmutzverkrustete Pick-Ups fuhren. Und doch hatte sich in einer Bar mit dem absolut unpassenden Namen „Der Spanische Ballsaal“ so eine Art New-Wave-Szene entwickelt. Eine Band namens Johnny Clampett and the Walkers, die New Wave Versionen von Songs aus den 50ern und 60ern spielte, hatte sich dort niedergelassen und holte weitere, etwas abenteuerlustigere Bands aus Akron und Kent als Support dort runter. Irgendwer hatte den Besitzer der Bar überzeugt, dass HardcorePunk einen Versuch wert sein könnte, und so kam’s, dass Zero Defex und Starvation Army, Akrons beliebteste Hardcore Bands (was hieß, dass wir an guten Abenden in etwa ein Publikum von zwanzig Leuten anziehen konnten) dort gebucht wurden.
Als wir den ersten Schritt in diesen Laden rein machten, merkten wir schon, dass das hier
kein
Punkrock-Publikum war. Es waren so etwa fünfzehn Leute drinnen, wovon die meisten lustlos über die lange rote Theke gebeugt waren. In der Mitte des Raumes stand ungefähr ein Dutzend leerer Tische. Kein einziger rasierter Kopf oder Sid-Vicious-mäßiger Rasierklingenhaarschnitt in Sicht. Keine Lederjacken, keine
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