Hardware
den Spuren geplatzter Adern oben an den Wangen, dem gestutzten grauen Schnurrbart, der verhaltenen Verachtung, die von dem Zucken eines unteren Lides irgendwie noch verstärkt wird. Die graue Farbe in seinem Geist verblaßt, kein ENDE marschiert mit der jäh anschwellenden, triumphalen Musik von Alfred Newman über den Himmel. Der Schalter ist Cowboy entglitten; statt dessen ist er in den schwitzenden Kunststoffwänden eines winzigen Raumes in einer kleinen Bar in Florida gefangen, sitzt hier mit all den verlorenen Kindern der Erde hoffnungslos fest und scheint keinen Ausweg finden zu können...
*17*
*LEBEN SIE IN DER TODESZONE?
WIR GARANTIEREN IHNEN EINEN BONUS!*
Als Sarah zurückkommt, sitzt Cowboy mit gekreuzten Beinen auf der Matratze, ohne Hemd, nur mit einer abgeschnittenen Jeans bekleidet. Ein halbes Dutzend leere Bierflaschen sind um ihn herum verstreut. Er schmiert seine Augen; dabei rollt er sie im Kopf nach oben, während er den Nippel einer Flasche Silikon-Gel an dem kleinen Reservoir im Boden jedes Implantats befestigt.
Als er fertig ist und sie anblickt, sieht sie, daß seine Augen von violetten Schatten gerändert sind. An seinem Hals sind Muskelstränge, die vorher nicht waren.
"Cowboy", sagt Sarah, "du siehst aus wie der leibhaftige Tod."
Er blickt zu Boden und schluckt. "Ja."
Sie geht zu ihm, hockt sich auf die Hacken und legt ihm die Hände auf die Schultern. Seine Haut ist feucht. Sie spürt, wie Dankbarkeit sie durchrieselt, daß er nicht so wie Daud vor ihrer Berührung zurückzuckt. Sie schaut ihm in die Augen. "Irgendwas passiert, während ich weg war?"
"Nur...", setzt er an, dann schüttelt er den Kopf. "Nein. Nichts."
"Bist du sicher?"
"Ja."
Sie küßt ihn auf die Wange und spürt Bartstoppeln an ihren Lippen. Sie steht auf und schlüpft aus ihrer Jacke. "Ich geh' unter die Dusche", sagt sie. "Willst du mitkommen?"
Die Dusche ist in einer alten, zerbeulten Wanne aus rostfreiem Stahl in einem Badezimmer unten am Flur, das Sarah sich mit Maurice teilt. Türen aus satiniertem Glas halten den Dunst drinnen und erfüllen die Wanne mit weicher, verschwommener Lumineszenz, die diffuse, neblige Lichtmuster über ihre Haut spielen läßt. Cowboy steht lange unter der herabströmenden Wärme. Seife und Wasser spülen in durchsichtigen Wellen an seiner Brust herab, während Sarah nach oben langt, um seine Muskeln zu massieren. Sie merkt, daß sie von all den unterdrückten Schreien der letzten fünf Tage mit Roon wie Stahldrähte gespannt sind. Jeder Schrei ist im Muskelgefüge codiert wie Daten in Kristall. Sie läßt sich Zeit, nimmt sich jeden Muskel einzeln vor und fühlt, wie er unter ihren Fingern wieder zum Leben erwacht. Dann stellt sie das Wasser auf kalt und beobachtet, wie ihm ein Schauder über den Rücken läuft. Zum erstenmal seit Tagen kommt Leben in seine Augen.
Sarah dreht das Wasser ab, und Cowboy nimmt sie in die Arme und preßt seine kalte Haut an ihre. Mit der Wange trocknet sie die Tropfen auf seiner Schulter. Auf dem zerschrammten, spiegelnden Boden der Wanne bewegen sie sich im Stehen miteinander, ehe sie es beide richtig bemerken.
Sie ist unschlüssig, als Cowboy sie hochhebt und zu ihrem Zimmer trägt. Sarah weiß nicht recht, ob er wirklich hierher gehört, ob er in ausreichendem Maße ein Bestandteil der Dinge hier ist... Es ist ein Unterschied, denkt sie, ob man jemand in seinen Körper läßt oder ob man ihm Zutritt zu dem Ort gewährt, wo man lebt - aber dann erkennt sie, daß sie ihn hier haben will, daß er kein falscher Ton in ihrem Versteck ist. Sie schlingt ihm die Arme um den Hals und stellt überrascht fest, wie es sie erregt, wenn jemand groß und stark genug ist, sie so mühelos zu tragen, sie in der Wiege seiner Unterarme von der Schwerkraft zu befreien. Sie sieht Wassertropfen an seinen Nackenhaaren, die sich lösen und über die kräftigen Muskeln seines Halses herabrinnen. Spürt seinen harten Brustmuskel an ihrer Schulter. Läßt den Kopf zurückfallen, schüttelt ihn und fühlt, wie das Wasser in parabolischen Regenbogenbahnen von ihren Haaren spritzt. Lacht. Und beschließt, den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Beide zusammen finden sie fast nicht mehr genug Platz auf ihrer schmalen Matratze. Ihre langen Arme und Beine verschlingen sich auf dem dunklen, polierten Boden, die Köpfe rollen hin und her und hinterlassen nasse Perlenbahnen auf dem Polymer... Es scheint nicht viel auszumachen. Schließlich
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