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Titel: Hardware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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die Konstellationen der Macht, die orbitalen Fabriken, Satelliten und Kraftwerke. Ein paar frühe Sterne fordern sie schwächlich zum Wettkampf heraus. Sarah ist tief in ihrem eigenen Interface. Ihr Körper ist ölig von Schweiß. Tritte und Fußstöße, Handkantenschläge und Fäuste blitzen wie Wetterleuchten in der feuchten Sommerluft auf. Sie beschwört Gesichter vor sich herauf, Hilfsmittel für ihre Konzentration, während sie ihre Schläge in das imaginäre Herz der Phantome zielt. Sie wirbelt herum, stellt ein Bein schräg, blickt über die Schulter und durchbohrt einen Gegner. Das niedergetretene Timotheusgras gibt ihren bloßen Füßen sicheren Halt. Sie läßt Wiesel im Moment in seinem Versteck - es hat keinen Sinn, eine Überraschung zu verschenken. Cowboy sieht aus dem Schatten einer Ulme zu, deren Blätter von der Trockenfäule braun sind. Er ist müde vom Laufen; sie sind den ganzen Tag zu Fuß unterwegs gewesen und haben sich nur ein oder zweimal von einem Wagen mitnehmen lassen, um die Monotonie zu unterbrechen. Sie befinden sich immer noch in Ohio und bleiben auf den Nebenstraßen, wo die Greifer sie nicht aufspüren können. Sie hatten gehofft, ein altes Farmhaus zum Übernachten zu finden, aber anscheinend hat man sie in Ohio abgerissen, um Durchreisende zu entmutigen.
     "Darin bist du wirklich gut, was?" bemerkt Cowboy. Sarah antwortet nicht, sondern schlägt nur mit Ellbogen und Händen nach Gegnern auf beiden Seiten. Kämpft gegen eine Armee von Gespenstern, die vor ihr aufstehen, namenlose Gesichter ohne jegliche Individualität, so wie Cunningham, ihre Stimmen ein Rascheln toter Zweige im trägen Wind. Kraft fließt wie Quecksilber durch ihre Muskeln, und sie wirft sich in eine Sonneneruption von Bewegung, wirbelnd, tretend, springend, die Arme ein verschwommenes Gewirr.
     Und dann Reglosigkeit, im sicheren Gleichgewicht stehend, ein mitten in der Bewegung erstarrtes Hologramm, während sich die Geisterarmee auflöst. Schweiß rinnt an ihren Augenbrauen entlang. Die schwere Luft kommt ihr im Hals so dick wie Honig vor. Auf der verfallenden Straße, fünfzig Meter entfernt hinter einigen Büschen, holpert ein Lastwagen über ein paar Schlaglöcher. Sarah wartet, bis das Geräusch ganz aus der tiefer werdenden Nacht verschwunden ist.
     Sie dreht sich um, sieht Cowboy an und schenkt ihm ein Lächeln. "Jetzt will ich was essen", sagt sie.
     "Müßtest du dich nicht verbeugen oder sowas?" Er zieht eine Folienpackung aus seinem Rucksack und wirft sie ihr zu. Ihre Nerven sind immer noch im Overdrive, und sie schnappt sich die Packung aus der Luft, als ob sie in Zeitlupe auf sie zukäme. Sie setzt sich im Schneidersitz vor Cowboy hin und reißt die Packung auf.
     Cowboy sieht sie mit seinen dunklen künstlichen Augen an. Er hat die Mütze und die Perücke abgenommen, und sie liegen neben ihm im Gras. "Hast du Kristall dafür?" fragt er. "Oder hast du's dir auf die harte Tour angeeignet?"
     Sie grinst wölfisch und zerrt an einem Streifen Fleischersatz. "Ein bißchen von beidem", sagt sie.
     "Überrascht mich nicht." Seine Pupillen scheinen sich zu weiten. "Diese Narbe über deiner linken Augenbraue. Sieht nicht nach einem Messer oder Rasiermesser aus."
     Sarah verschlingt den trockenen Sojastreifen und schüttelt den Kopf. Geschichte, denkt sie. "'ne Flasche", sagt sie. "Mein Vater war blau und hat mich geschnitten, als ich klein war."
     "Und die auf deiner Backe?"
     "'n Messerjunge bei 'nem Straßenkampf. Ist Jahre her."
     "Unter der Lippe."
     Einen Moment lang sieht sie wieder die irren Augen vor sich, die das trübe, rote Licht widerspiegelten, den feuchten Mund, der immer wieder die Worte wiederholte, wie eine Beschwörungsformel: "Miststück, Miststück", das Rasiermesser in der Hand mit den weißen Knöcheln. Die Erkenntnis tief in ihrem Rückenmark, daß sie die Kontrolle über die Sache verloren hatte, daß sie endlich auf einen jener Kunden getroffen war, die einen speziellen Namen hatten, einen Namen, den selbst die Abgebrühtesten unter ihren Kameradinnen nur in rauhem, furchtsamem Ton aussprachen: "Ausraster." Und dann ihre eigene Reaktion, ihre katalysierten Reflexe, die den Stuhl wie einen verschwommenen Strich durch die Luft schleuderten, eine Bewegung, die ihr Blut in einer juwelenbesetzten Sichel durch den Raum spritzen ließ und eine scharlachrote Spur über das pastellblaue Hemd des Wahnsinnigen sprühte, der im nächsten Moment mit eingeschlagenem Schädel am Fuß des

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