Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Erinnerung an diesen Neid auf und wärmte ihre Züge. „Jimmy sah so gut aus!“, sagte sie leise.
Das stimmte.
„Schatz! Ich bin da! Was gibt es zu Mittag?“ Beim Klang der tiefen Stimme aus dem unteren Flur alterte Susus rundes Gesicht umgehend. „Du glaubst nicht, wer hier ist!“, rief sie mit gespielter Munterkeit.
So, gefangen in einer Zeitkapsel zwischen Bilderbuchhochzeit und der Realität von zwei Kindern und einem alten Haus, trotteten wir die Treppe hinunter.
Beim Anblick von Jimmy Hunter landete ich sofort wieder im Hier und Jetzt. Es war eine Weile her, dass ich ihn von Nahem gesehen hatte, er schien nicht nur älter, sondern auch gröber geworden zu sein. Der Jimmy aus meiner Erinnerung hatte immer eine grundsätzliche Friedfertigkeit und gute Laune ausgestrahlt, aber davon war nichts mehr zu spüren. Stattdessen herrschte Unordnung in seinem Gesicht, gepaart mit einer Dosis Groll und Verständnislosigkeit. Wie konnte Jimmy Hunters Leben nicht idyllisch sein? Ich hatte Jimmy immer für einen bescheidenen Typen gehalten, für einen sehr maskulinen Mann, der nicht zum Grübeln neigte. Diese Einschätzung würde ich nun wohl revidieren müssen, ebenso wie meine Einschätzung seiner Frau.
„Du siehst klasse aus, Roe“, begrüßte mich Jimmy nach kurzem Zögern.
„Danke, Jimmy. Wie läuft das Geschäft?“
„Na ja, es sorgt hier für die Hamburger und von Zeit zu Zeit am Wochenende auch mal für ein Steak auf dem Tisch.“ Er zuckte die Achseln. „Wie steht es auf dem Immobilienmarkt von Lawrenceton?“
Natürlich wusste inzwischen die ganze Stadt, dass ich nicht mehr als Bibliothekarin arbeitete. Alle hatten von meiner Erbschaft gehörte und massenhaft Spekulationen darüber angestellt.
„Momentan sind alle etwas verstört.“
„Wegen Tonia Lee? Wenn du mich fragst, wusste das Mädel einfach nicht, wie weit sie gehen darf und wann Schluss sein muss.“
„Jimmy!“, protestierte Susu.
„Nein, Schatz, du weißt genauso gut wie ich, dass Tonia Lee ihren Mann betrogen hat, wann immer ihr danach war. Jetzt hat sie es einmal zu oft getrieben, zur falschen Zeit und mit dem falschen Kerl.“
Jimmy mochte recht haben, aber es behagte mir nicht, wie er seine Meinung vortrug. Irgendwie schwang da ein unangenehmer Ton mit, bei dem mir plötzlich danach war, Tonia Lee Greenhouse zu verteidigen. Bestimmt gehörte Jimmy zu den Männern, die fanden, eine Frau im engen Rock und tief ausgeschnittener Bluse hätte es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie vergewaltigt wurde.
„Sicher war es nicht klug, wie sie gelebt hat“, sagte ich. „Aber nur weil sie ein paar Fehler gemacht hat, verdiente sie es noch lange nicht, umgebracht zu werden.“
„Das stimmt.“ Jimmy knickte sofort ein, obwohl er seine Meinung erkennbar nicht geändert hatte. „Ihr Mädels habt bestimmt eine Menge zu quatschen, ich gehe kurz noch raus in die Werkstatt. Ruf mich, wenn das Essen fertig ist, Susu.“
„Mach ich!“, sagte sie liebevoll, aber sobald Jimmy durch die Hintertür entschwunden war, schien ihr Gesicht in sich zusammenzufallen.
„Ach, Roe, er rennt ständig raus in den Schuppen! Er hat sich da eine Werkstatt eingerichtet, in der er stundenlang an irgendwelchen Sachen herumpusselt. Er ist bestimmt ein guter Ehemann, er sorgt für uns und er liebt die Kinder, aber die meiste Zeit habe ich das Gefühl, er lebt gar nicht richtig mit uns zusammen.“
Dieses Geständnis traf mich unvorbereitet, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Unbeholfen tätschelte ich Susus Schulter, aber mir war wie immer nicht ganz wohl dabei, jemanden zu berühren.
„Weißt du, was er macht?“, fragte Susu, während sie im Kühlschrank herumwühlte und Reste vom Vortag zusammensuchte. „Er geht herum und sieht sich Häuser an, die zum Verkauf stehen. Dabei haben wir dieses herrliche Haus, das ich nie, unter gar keinen Umständen, aufgeben würde. Er macht mit Maklerbüros Termine aus und zieht los, um sich Häuser anzusehen!“ Sie schob ein paar Schüsselchen in die Mikrowelle und stellte die Zeitschaltuhr ein. „Weiß der Himmel, wie er den Maklern erklärt, dass ich nie dabei bin – ich nehme doch an, es wird erwartet, dass die Frau mitkommt, wenn ein Mann ernsthaft ein neues Haus sucht. Ich weiß das von Leuten, deren Häuser er sich angesehen hat und die mich hinterher fragten, wie es Jimmy gefallen hätte, und ich wusste von nichts!“ Susu schnappte sich ein Papiertaschentuch aus einer umhäkelten Pappschachtel und
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