Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
sich das schnell mal wieder aus dem Kopf, Terry. Ich habe Sie nur darum gebeten, einen Blick in die Akte zu werfen – nicht, irgendwelchen Anhaltspunkten nachzugehen. Ab sofort geht Sie die ganze Sache nichts mehr an.«
»Jetzt hören Sie aber mal! Wenn ich nicht einer Reihe von Anhaltspunkten nachgegangen wäre, hätten Sie absolut nichts. Dann säße diese Eule immer noch auf dem Dach des anderen Hauses, das dieser Rohrshak verwaltet.«
»Das ist richtig. Und vielen Dank auch. Aber Sie sind nicht mehr bei der Polizei. Sie haben bei den Ermittlungen nichts mehr zu suchen.«
»So einfach lasse ich mich nicht abspeisen, Jaye. Gerade wo ich es war, der Sie mit der Nase auf Bosch gestoßen hat, lasse ich mich nicht so abservieren.«
Winston ließ sich in den Sessel plumpsen.
»Meinetwegen, aber können wir uns darüber vielleicht unterhalten, wenn und falls es dazu kommt? Ich bin noch immer nicht hundertprozentig überzeugt.«
»Gern. Ich auch nicht.«
»War jedenfalls sehr beeindruckend, wie Sie mir diese Bilder gezeigt und Ihre Argumente dargelegt haben.«
»Ich will damit ja nichts weiter sagen, als dass Harry Bosch etwas mit der Sache zu tun hat. Aber dann hätten wir schon zwei Möglichkeiten. Die erste, er war’s. Die zweite, das Ganze soll ihm angehängt werden. Er ist schon sehr lange bei der Polizei.«
»Fünfundzwanzig, dreißig Jahre. Die Liste der Leute, die er hinter Gitter gebracht hat, muss ziemlich lang sein. Und die mit den Leuten, die gesessen haben und inzwischen wieder draußen sind, vermutlich halb so lang. Es würde ein Jahr dauern, alle zu überprüfen.«
McCaleb nickte.
»Und glauben Sie nicht, dass ihm das nicht auch klar war.«
Sie blickte scharf zu ihm auf. Er hatte wieder begonnen, mit gesenktem Kopf auf und ab zu gehen. Nach einem Schweigen, das sich zu lang hinzog, blickte er auf und sah, dass sie ihn finster anstarrte.
»Was ist?«
»Sie haben sich voll auf Bosch eingeschossen, stimmt’s? Sie wissen noch etwas.«
»Nein, weiß ich nicht. Ich versuche für alles offen zu bleiben. Allen Möglichkeiten muss nachgegangen werden.«
»Unsinn, Sie haben sich bereits auf eine festgelegt.«
McCaleb antwortete nicht. Er hatte auch so schon ein schlechtes Gewissen. Da brauchte ihm Jaye Winston nicht ein noch schlechteres zu machen.
»Los«, sagte sie. »Rücken Sie schon raus mit Ihrer Theorie. Und keine Angst, ich mache Ihnen bestimmt keinen Vorwurf, wenn sie sich als falsch erweist.«
Er blieb stehen und sah sie an.
»Nur zu, erklären Sie mir Ihre Theorie.«
McCaleb schüttelte den Kopf.
»Ich habe das Ganze noch nicht bis zu Ende durchgedacht. Ich weiß nur, dass es sich hier nie und nimmer um einen Zufall handelt. Also muss es eine Erklärung geben.«
»Dann verraten Sie mir die Erklärung, die Bosch einbezieht. Ich kenne Sie doch. Sie haben sich darüber bestimmt Gedanken gemacht.«
»Meinetwegen. Aber denken Sie immer daran: Vorerst ist alles reine Theorie.«
»Ich werde daran denken. Schießen Sie los.«
»Fangen wir zunächst damit an, dass Detective Hieronymus Bosch glaubt – nein, wir können, glaube ich, ruhig sagen, weiß –, dass dieser Kerl, Edward Gunn, einen Mord begangen hat und ungestraft davongekommen ist. Okay, dann wird Gunn eines Tages erdrosselt aufgefunden und er sieht aus wie eine Figur auf einem Gemälde des Malers Hieronymus Bosch. Fügen Sie dem noch eine Plastikeule und mindestens ein halbes Dutzend anderer Parallelen zwischen den beiden Boschs hinzu – von der Namensgleichheit erst gar nicht zu reden – und schon hätten wir es.«
»Was hätten wir? Diese Parallelen besagen nicht, dass Bosch es war. Sie haben eben selbst gesagt, jemand könnte alles so eingefädelt haben, dass wir es herausfinden und Bosch verdächtigen.«
»Ich weiß nicht, woran es liegt. Wahrscheinlich ist es nur so ein Gefühl. Aber irgend etwas an Bosch ist … einfach eigenartig.«
Ihm fiel ein, wie Vosskuhler die Gemälde charakterisiert hatte.
»Ein Dunkel, tiefer als die Nacht.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?«
McCaleb tat die Frage mit einer Handbewegung ab. Er griff nach dem Ausschnitt mit der Eule, die von einem Mann umarmt wird, und hielt ihn ihr hin.
»Sehen Sie sich dieses Dunkel an. In den Augen. Und Harry hat etwas an sich, das mich daran erinnert.«
»Jetzt werden Sie ja richtig esoterisch, Terry. Was wollen Sie damit sagen? Dass Harry Bosch in einem früheren Leben ein Gemälde war? Überlegen Sie doch mal, was Sie da sagen.«
Er legte
Weitere Kostenlose Bücher