Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Name ist Harry Bosch.«
Sie nickte, griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer. Bosch konnte es im angrenzenden Zimmer piepen hören und erkannte in der Stimme, die sich meldete, die Saids.
»Es ist Harry Bosch«, sagte die Sekretärin.
Bosch hörte, wie Said sagte, sie solle ihn reinschicken. Er steuerte auf die Tür zu, bevor sie den Hörer auflegte.
»Gehen Sie rein«, sagte sie zu seinem Rücken.
Bosch betrat ein sehr schlicht eingerichtetes Büro: Schreibtisch, zwei Stühle, schwarze Ledercouch und Fernseher mit Videorecorder. Die Wände waren voll mit gerahmten Plakaten von Saids Filmen und anderen Erinnerungsstücken, wie zum Beispiel den Rückenlehnen der Regiestühle, auf die die Filmtitel gedruckt waren. Bosch kannte Said seit mindestens fünfzehn Jahren, als ihn der ältere Mann als technischen Berater für einen Film engagiert hatte, der entfernt auf einem von Boschs Fällen basierte. In den nächsten zehn Jahren waren sie in losem Kontakt geblieben, wobei normalerweise Said Bosch angerufen hatte, wenn er eine technische Frage zum polizeilichen Vorgehen in einem seiner Filme hatte. Die meisten von Saids Produktionen schafften es nie auf die Kinoleinwand. Sie wurden fürs Fernsehen produziert.
Albert Said stand hinter seinem Schreibtisch auf und Bosch reichte ihm die Hand.
»Hey, Nuff, wie geht’s?«
»Bestens, mein Freund.«
Er deutete auf den Fernseher.
»Habe mir heute Ihre glänzende Vorstellung im Court TV angesehen. Bravo.«
Er klatschte höflich. Bosch machte eine wegwerfende Handbewegung und sah wieder auf seine Uhr.
»Danke. Ist hier alles so weit vorbereitet?«
»Ich denke schon. Marjorie wird sie im Besprechungszimmer auf mich warten lassen. Von da an ist alles weitere Ihnen überlassen.«
»Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Nuff. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich mich revanchieren kann.«
»Sie können in meinem nächsten Film mitspielen. Sie haben eine unglaubliche Präsenz, mein Freund. Ich habe mir heute Ihren ganzen Auftritt angesehen. Falls Sie ihn sich ansehen wollen – ich habe ihn aufgenommen.«
»Nein danke, lieber nicht. Außerdem dürfte die Zeit nicht reichen. Was machen Sie gerade so?«
»Ach, Sie kennen das ja, darauf warten, dass ich für ein Projekt, das mit ausländischen Geldern realisiert werden soll, endgültig grünes Licht erhalte. Es geht dabei um einen Cop, der ins Gefängnis kommt, und der Schock des Verlusts seiner Dienstmarke und seiner Selbstachtung und von allem anderen löst bei ihm eine Amnesie aus. Und jetzt ist er also im Gefängnis und kann sich nicht mehr erinnern, welche von den Typen dort seinetwegen einsitzen und welche nicht. Er muss ständig ums nackte Überleben kämpfen. Der einzige Häftling, der sich mit ihm anfreundet, ist, wie sich herausstellt, ein Serienmörder, den er ebenfalls hinter Gitter gebracht hat. Es ist ein Thriller, Harry. Was halten Sie davon? Steven Seagal sieht sich das Drehbuch an.«
Saids buschige schwarze Augenbrauen stellten sich zu scharfen Spitzen auf. Er war sichtlich begeistert von der Grundidee des Films.
»Ich weiß nicht, Nuff«, sagte Bosch. »So was gibt es, glaube ich, schon.«
»Alles hat es schon mal gegeben. Aber was halten Sie davon?«
Bosch wurde durch den Pausengong gerettet. In der Stille nach Saids Frage konnten sie beide hören, wie die Sekretärin im Vorzimmer mit jemandem sprach. Dann piepte die Sprechanlage auf Saids Schreibtisch und aus dem Lautsprecher kam die Stimme der Sekretärin: »Ms. Crowe ist hier. Sie wartet im Besprechungszimmer.«
Bosch nickte Said zu und flüsterte: »Danke, Nuff. Um alles Weitere kümmere ich mich.«
»Glauben Sie, Sie kommen klar?«
»Ich melde mich, wenn ich Hilfe brauche.«
Er wandte sich zum Gehen, machte aber noch einmal kehrt und reichte Said die Hand.
»Kann sein, dass ich hinterher schnell los muss. Deshalb verabschiede ich mich jetzt schon. Viel Glück mit dem neuen Projekt. Hört sich wie ein weiterer Knüller an.«
Sie schüttelten sich die Hände.
»Ja«, sagte Said. »Wir werden sehen.«
Bosch verließ das Büro, überquerte einen schmalen Gang und betrat das Besprechungszimmer. In der Mitte stand ein quadratischer Glastisch mit einem Stuhl auf jeder Seite. Annabelle Crowe saß auf dem Stuhl mit Blick zur Tür. Als Bosch eintrat, betrachtete sie ein Schwarzweißfoto von sich. Sie sah mit einem strahlenden Lächeln und perfekten Zähnen auf. Das Lächeln hielt etwas länger als eine Sekunde und rutschte dann wie ein
Weitere Kostenlose Bücher