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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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verschwand in einen Gang, der nach hinten führte. Als er zu einer Stelle kam, an der sich zwei Gänge kreuzten, sah er links von sich zwei Männer weglaufen, fort von der Polizei.
    Bosch stellte fest, dass er nicht der Einzige war, der nicht von der Polizei vernommen werden wollte, und folgte ihnen.
    Die zwei Männer verschwanden in einem schmalen Durchgang zwischen zwei der inzwischen geschlossenen Läden. Bosch immer hinterher.
    Von dem Gang führte eine Treppe in einen Keller mit zahlreichen Abteilen hinab, in denen die Standinhaber wegen der beengten Platzverhältnisse im Erdgeschoss ihre Waren lagerten. Bosch folgte den Männern einen Gang hinunter. Sie bogen nach rechts und steuerten auf eine Tür zu, über der ein rotes chinesisches Schriftzeichen leuchtete. Ein Notausgang wahrscheinlich. Als die Männer durch die Tür traten, ertönte ein Alarm, und sie warfen sie hinter sich zu.
    Bosch rannte zu der Tür und stieß sie auf. Sie führte in den Durchgang, in dem er vorher schon gewesen war. Er ging rasch zur Nathan Road und hielt nach Sun und dem Mercedes Ausschau.
    Etwa hundert Meter weiter leuchteten kurz zwei Autoscheinwerfer auf, und Bosch sah den Wagen vor einer Gruppe Polizeiautos warten, die vor dem Eingang des Chungking Mansions kreuz und quer auf der Straße standen. Sun fuhr los und hielt neben ihm an.
    Bosch ging zuerst zur hinteren Tür, erinnerte sich aber im selben Moment, dass Eleanor nicht mehr bei ihnen war, und stieg vorne ein.
    »Das hat aber gedauert«, bemerkte Sun.
    »Ja, aber jetzt schnell weg hier.«
    Sun blickte auf Boschs blutende Knöchel hinab, die sich um den Griff der Aktentasche krümmten. Er sagte nichts. Er beschleunigte und fuhr vom Chungking Mansions fort. Bosch drehte sich um und schaute aus dem Rückfenster. Sein Blick wanderte zu dem Stockwerk hinauf, in dem sie Eleanor zurückgelassen hatten. Irgendwie hatte Bosch immer geglaubt, sie würden zusammen alt werden. Daran hatte auch ihre Scheidung nichts geändert. Oder andere Liebhaber. Sie hatten immer schon eine Beziehung mit Unterbrechungen gehabt, aber auch das spielte keine Rolle. Eigentlich war er immer der Überzeugung gewesen, dass die Trennungsphasen nur vorübergehend wären und dass sie auf lange Sicht zusammen sein würden. Immerhin hatten sie Madeline gemeinsam, und das würde sie immer aneinander binden. Aber er hatte auch geglaubt, es gäbe noch mehr.
    Das alles war jetzt verloren, und alles nur wegen der Entscheidungen, die er getroffen hatte. Ob es nun an seinem Ermittlungsverfahren lag oder an seinem Lapsus, sein ganzes Geld zu zeigen, spielte letztlich keine Rolle. Alle Wege führten zurück zu ihm, und er wusste nicht, wie er damit in Zukunft leben sollte.
    Er beugte sich vor und stützte den Kopf in die Hände.
    »Sun Yee, es tut mir leid … ich habe sie auch geliebt.«
    Sun antwortete lange nicht, und als er zu sprechen begann, holte er Bosch aus seiner Abwärtsspirale in die Realität zurück.
    »Jetzt müssen wir Ihre Tochter finden. Das werden wir für Eleanor tun.«
    Bosch setzte sich auf und nickte. Dann beugte er sich vor und zog die Aktentasche auf seinen Schoß hoch.
    »Halten Sie an, wenn Sie irgendwo können. Sie müssen sich das ansehen.«
    Sun bog mehrere Male ab und stoppte erst, als er einige Straßen vom Chungking Mansions entfernt war. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ein heruntergekommener Markt, in dem es von Westlern wimmelte.
    »Wo sind wir denn hier?«, fragte Bosch.
    »Das ist der Jademarkt. Bei Touristen aus dem Westen sehr beliebt. Hier fallen Sie nicht auf.«
    Bosch nickte. Er öffnete die Aktentasche und reichte Sun den unordentlichen Packen mit den Anmeldeformularen. Es waren mindestens fünfzig. Die meisten waren auf Chinesisch ausgefüllt und für Bosch nicht zu entziffern.
    »Wonach soll ich suchen?«, fragte Sun.
    »Datum und Zimmernummer. Freitag war der elfte. Das ist der Tag, der uns interessiert. Und Zimmer Nummer fünfzehn vierzehn. Es muss hier drunter sein.«
    Sun begann, die Formulare durchzusehen. Eine Weile beobachtete ihn Bosch dabei, dann schaute er aus dem Fenster auf den Jademarkt. Durch die offenen Zugänge waren unter dem baufälligen Dach aus Sperrholz und Planen mehrere Reihen mit Ständen zu erkennen, an denen alte Männer und Frauen ihre Waren zum Verkauf anboten. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.
    Bosch musste an den Anhänger mit den drei Jadeaffen denken, den er im Zimmer seiner Tochter gesehen hatte. Sie war hier gewesen.

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