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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Wohnung hinauf.
    Doch diesmal war ich auf das Schlimmste vorbereitet. Während ich mit dem Aufzug hochfuhr, kramte ich einen Tiegel mit Salbe hervor, einer dunkelbraunen Mixtur, die ich tagelang nicht von meinen Lidern bekommen würde. Ich strich sie mir sanft über die Lider und unter die Augen. Es handelte sich ursprünglich um eine Salbe, die Feenmagie auskontern sollte, indem sie dem Träger erlaubte, die Wahrheit hinter einer Illusion zu erspähen. Sie war nicht dazu ausgelegt, durch einen Schleier, der mittels sterblicher Magie gewebt worden war, zu sehen, doch die Paste sollte stark genug sein, um mir zumindest irgendeinen Hinweis darauf zu geben, was sich unter dem Schleier verbarg. Ich sollte in der Lage sein, Bewegungen auszumachen, und das sollte mir wenigstens die Möglichkeit verschaffen, mich in die richtige Richtung zu drehen, wenn es haarig wurde.
    Ich hatte auch Mouse aus einem bestimmten Grund mitgenommen. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich bei ihm um einen kleinen Berg aus Muskeln und bösartigen Fangzähnen handelte, der treu an meiner Seite stand, konnte Mouse fühlen, wenn böse Buben oder schwarze Magie irgendwo in der Nähe lauerten. Die Kreatur, die es schaffte, sich unbemerkt an Mouse anzupirschen, musste mir noch über den Weg laufen, und wenn heute genau dieser Tag sein sollte, hatte ich ja immer noch die Salbe als Plan B.
    Ich trat aus dem Aufzug, und die Haare in meinem Nacken richteten sich augenblicklich auf. Mouse riss ruckartig den Kopf hoch und blickte aufmerksam den Gang hinauf und hinunter. Er hatte dasselbe gefühlt wie ich.
    Eine feine Wolke aus Magie hing über dem gesamten Flur.
    Ich tastete vorsichtig danach und fühlte eine subtile Aufforderung, mich schlafen zu legen – ein Klassiker. Doch dieser Zauber besaß nicht die Durchschlagskraft, die ich bei ähnlich gearteter Magie früher hatte beobachten können. Ich hatte einmal gesehen, wie ein Schlafzauber eine gesamte Station des Cook-County-Hospitals flachgelegt hatte. Ich hatte selbst einen gewebt, um Murphys geistige Gesundheit zu schützen, und das hatte sie für zwei Tage ins Land der Träume befördert.
    Dieser Zauber jedoch war anders. Er war filigran, kaum merkbar und alles andere als bedrohlich. Er war zart und fein genug, um selbst über eine Schwelle ins Zuhause von Leuten zu sickern. Außerdem waren die meisten Schwellen ohnedies schwach: Eine Mietwohnung schien niemals denselben Grad an magischem Schutz zu besitzen wie ein wahres Zuhause. Wären die erwähnten Zauber Schlaftabletten gewesen, handelte es sich hier um warme Milch mit Honig. Jemand wollte, dass die Bewohner dieses Stockwerks etwas nicht bemerkten. Doch sollte sie der Zauber nicht soweit betäuben, dass sie einen Notfall, wie etwa einen Brand, nicht mehr mitbekommen hätten.
    Sehen Sie mich nicht so an. So ein Feuerchen kommt häufiger vor, als Sie sich vorstellen können.
    Diese Suggestion war jedenfalls ein ausgezeichnet gewirkter Zauber: zart, präzise, subtil, ganz wie der Schleier, der Lasciel vorhin aufgefallen war. Sein Urheber war Profi.
    Ich vergewisserte mich, dass mein Schildarmband einsatzbereit war und ging auf Annas Tür zu. Ich spürte, dass das Schutzzeichen davor immer noch aktiv war, also donnerte ich meinen Stab einige Male auf den Boden vor der Tür. „Miss Ash?“, rief ich. Ich wollte ja niemanden wecken. „Hier ist Harry Dresden. Wir müssen reden!“
    Grabesstille. Ich wiederholte den Vorgang. Ich vernahm ein Geräusch, jemanden, der sich alle Mühe gab, sich leise zu bewegen, ein schwaches Knarren oder Wischen, das so leise war, dass ich nicht sicher war, ob ich es mir nicht doch eingebildet hatte. Ich blickte zu Mouse. Er hatte aufmerksam die Ohren gestellt. Auch er hatte es also gehört.
    Jemand betätigte im Stock über uns eine Klospülung. Ich hörte, wie sich eine Tür öffnete und schloss. Kein weiterer Laut drang aus Anna Ashs Wohnung.
    Mir gefiel ganz und gar nicht, wie sich das entwickelte.
    „Mach mal Platz, Kumpel“, forderte ich Mouse auf. Er legte den tollpatschigen Rückwärtsgang ein, den man bei Hunden oft sah.
    Dann widmete ich meine Aufmerksamkeit dem Schutzzeichen. Es war wie das Strohhäuschen des kleinen Schweinchens. Es würde dem großen, bösen Wolf keine zwei Sekunden standhalten. „Ich huste und ich pruste“, brummte ich. Ich bündelte meinen Willen, ergriff meinen Stab mit beiden Händen und drückte ein Ende langsam in Richtung Tür. „ Solvos“, flüsterte ich. „Solvos.

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