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Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)

Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)

Titel: Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher , Oliver Graute
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fuhr ich fort. „Ich finde die Regeln, die du aufgestellt hast, scheiße. Offensichtlich greifst du nicht mehr so oft ein wie früher, und deine Engel dürfen nicht einmal einen Finger rühren, bis die Bösen das zuerst getan haben. Ich habe ein paar Dinge im Kopf überschlagen. Als die Denarier das riesengroße Zeichen hochgezogen haben, waren sie auf eine Menge Energie angewiesen. Auf eine außerordentliche Menge Energie. Mehr, als mir selbst mit Lasciel zur Verfügung stand. Die Macht eines Erzengels, und ich kann mir nur einen dieser Typen vorstellen, der Nikodemus’ Bande geholfen hätte.“
    Ich stand auf und stieß meinen Zeigefinger anklagend in die Richtung Kanzel. Ich war ernsthaft sauer und brüllte: „Der Fürst der scheißverdammten Finsternis darf schummeln und seine Macht auf Erden entfalten – zweimal sogar –, und du sitzt einfach nur da, während mein Freund, der sein gesamtes Leben für dich gekämpft hat, stirbt! Was zum Geier läuft denn bei dir verkehrt?“
    „Ich glaube, das ist ein schlechter Zeitpunkt“, sagte eine Stimme hinter mir.
    Ich drehte mich um, und vor mir stand ein kleiner, alter Kerl in einem dunkelblauen Overall, auf dessen Namenschild JAKE stand. Er zog ein Wägelchen mit einem Mülleimer und der üblichen Sammlung von Besen, Mopps und Putzmitteln hinter sich her. Er hatte ein Bäuchlein und kurzes, lockiges Silberhaar, das zu seinem Bart passte und das säuberlich gestutzt die dunkle Haut seines Gesichtes umrahmte. „Tut mir leid. Ich komme später wieder.“
    Ich fühlte mich wie ein Vollidiot. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich tue hier eigentlich gar nichts. Ich meine, Sie halten mich von nichts ab. Ich werde zusehen, dass ich Ihnen nicht im Weg bin.“
    „Sie sind mir nicht im Weg, junger Mann“, antwortete Jake. „Gar nicht. Sie sind nicht der Erste, der in der Krankenhauskapelle die Fassung verliert, und Sie werden auch nicht der Letzte sein. Sicher, dass es Ihnen nichts ausmacht?“
    „Nein“, sagte ich. „Kommen Sie rein.“
    Das tat er auch. Er zog das Wägelchen hinter sich her und ging zum Mülleimer in der Ecke hinüber. Er nahm den alten Müllsack heraus. „Sie haben wohl einen Freund hier?“
    „Ja“, entgegnete ich und setzte mich wieder.
    „Ist schon in Ordnung, deswegen auf Gott sauer zu sein, mein Sohn. Was geschehen ist, ist nicht seine Schuld, aber er versteht es.“
    „Vielleicht“, meinte ich mit einem Schulterzucken. „Aber es ist ihm egal. Ich kann gar nicht verstehen, warum alle glauben, dass er sich wirklich um uns sorgt. Warum sollte er auch.“
    Jake hielt inne und fixierte mich.
    „Ich meine, das ganze Universum, ja? All die Sterne, all die Welten“, fuhr ich fort. Ich klang weit übellauniger, als ich beabsichtigt hatte. „Wahrscheinlich gibt es dort draußen so viele verschiedene Völker, dass wir sie nicht mal zählen könnten. Wie kann sich Gott dann darum kümmern, was einem Menschlein auf einer kleinen Welt unter Unzähligen zustößt?“
    Jake verknotete den Müllsack und warf ihn in seinen Eimer. Dann ersetzte er den Plastiksack mit grüblerischem Gesichtsausdruck. „Nun“, sagte er. „War nur kurz auf der Schule, müssen Sie verstehen. Aber mir scheint, Sie nehmen etwas an, was Sie nicht annehmen sollten.“
    „Nämlich?“, fragte ich.
    „Dass Gott die Welt wie Sie sieht. Eins nach dem anderen. Aus nur einem Blickwinkel. Scheint mir so, dass er überall sein und alles wissen sollte.“ Er stülpte den Deckel wieder auf den Mülleimer. „Denken Sie darüber nach. Er weiß, was Sie fühlen, welchen Schmerz Sie empfinden. Er fühlt meinen Schmerz, Ihren Schmerz, wie seinen eigenen.“ Jake schüttelte den Kopf. „Hölle, mein Sohn. Die Frage ist nicht, wie sich Gott um eine einzige Person sorgen kann. Die Frage ist, wie er es nichtkönnte.“
    Ich schnaubte und schüttelte den Kopf.
    „Mehr Zuversicht, als Sie im Augenblick gerne hören möchten“, gestand Jake. „Hab’s schon begriffen, mein Sohn.“ Er drehte sich um und schob sein Wägelchen hinaus. „Oh“, sagte er. „Erlauben Sie einem alten Mann, Ihnen einen weiteren Gedanken mit auf den Weg zu geben?“
    „Klar“, sagte ich, ohne mich umzudrehen.
    „Sie sollten es vielleicht so sehen, dass es hier um das Gleichgewicht geht“, meinte er. „Vielleicht hat ein Erzengel in dieser Angelegenheit seine Macht offen und unmittelbar genutzt. Vielleicht hat ein anderer es nicht so an die große Glocke gehängt. Einer, der auf lange Sicht plant.

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