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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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schreit markerschütternd »Ihr Schweine!!!« und wirft ein Lexikon gegen die Tür. Dann ist es still. Ich bewege mich kaum in dem Schaum meiner Wanne, schäme mich fast, dass ich überhaupt Schaum habe, und glaube, ich sei irgendwie verpflichtet, wenigstens nur in einfachem Wasser zu liegen, während mein Freund ein paar Dutzend wartende Kunden per eMail stressberaten muss und nicht ins Internet kommt. Nach wenigen Minuten öffnet er wieder die Tür, hat sein normales Gesicht angezogen, lächelt mich an und sagt: »Die Verbindung geht wieder. Hab grad ’ne Mail gekriegt. Radio 98.5 will mit mir ein Interview machen. Morgen Abend in so ’ner Gesundheitssendung. Live!« Ich sehe ihn an, und mein Badeschaum macht mir wieder Freude. Wir lächeln. Hartmut geht in die Küche und macht sich erst mal einen Tee.
    Die Live-Sendung hörte ich mir bei der Spätschicht an. Ich stand mit den Kollegen im Pausenraum und zeigte immer wieder auf das Radio, als wolle ich sagen: »Hört hin, das ist mein Mann!« Sie verstanden nicht wirklich, was Hartmut da über Stressbewältigung erzählte. »Ein Kasten Flensburger – datt is meine Stressbewältigung!«, sagte Martin und grinste durch seine schiefen Zähne.
    Es sollte nicht beim Lokalradio bleiben. Ein paar Tage später erhält Hartmut eine Einladung von WDR 2, dem wichtigsten Sender in der Region und Stammprogramm von Hartmuts potenziellen Kunden überhaupt. Büroangestellte, Kaufleute, Autofahrer, Menschen, die morgens mit John Grisham auf den Treppen des Regionalexpress sitzen und die Aktentasche zwischen die Knie gepresst haben.
    Heute ist der große Tag, ich warte, dass Hartmut von dem Interview nach Hause kommt, es war eine Aufzeichnung, die morgen früh zur Aufstehzeit der meisten Menschen laufen soll, ich habe eine Flasche Wein kalt gestellt und die Playstation angemacht. Zwei Joypads liegen bereit. Ich will Hartmut in seinem Lieblingsspiel herausfordern. Es gibt was zu feiern. Um acht Uhr öffnet sich die Tür, Hartmut sieht mein Arrangement, lächelt dankbar, setzt dann seinen Cowboy-Schlitzblick auf und nimmt das Joypad.
    Am Mittag nach der Sendung geht wieder was in seinem Raum zu Bruch. Seine Stimme tobt sich durch Bad und Flur näher. »Mann, Mann, Mann, du! 124 Mails habe ich heute bekommen, 124 Mails! 18 davon Stammkunden, 27 Neukunden im Probelauf, ein paar Dutzend Antworten zum Grundprofil und der ganze Rest Neuinteressenten. Wir hätten gestern Abend gar nicht spielen dürfen. Ich hätte mich direkt nach dem Interview an die alten Kunden setzen müssen, das abarbeiten. Hätte mir ja denken können, dass die Sendung was bringt! Die mailen mir zum Teil aus ihren Büros! Die werden gemobbt und fragen mich, was sie tun sollen! Ich darf keine Pause machen. Keine Pause!« Er sagt das nicht so, als ob er es glaube, sondern so, als wiederhole er die Druckmittel von Sachzwängen, denen er folgen muss, obwohl er es besser weiß. Er klingt wie ein Entführter, der den Frust seiner Entführer zu verstehen lernt und die moralischen Bemühungen der Diplomaten für weltfremde Scheiße erklärt. Hartmut hat das Stockholmsyndrom gegenüber der Arbeit bekommen. Er hat zweistellig Neukunden. In wenigen Stunden. Er gießt sich Kaffee aus der erkalteten Kanne in eine Tasse, in der ein Rest O-Saft schwimmt. Er kippt sich die Brühe rein, verzieht kurz das Gesicht und nimmt die Tasse mit. In der Tür zum Bad dreht er sich noch mal um und sagt: »Dieser Vollidiot von Student kapiert immer noch nicht, wie er seine Arbeit schreiben soll. Er sagt, er würde die Bücher nicht finden. Ich hab ihn gefragt, ob er mal im Zettelkasten nachgesehen hat oder ob er immer nur alles in die Suchmaschine tippt. Daraufhin kam die Frage, welchen Zettelkasten ich meine. Der Mann ist seit zehn Semestern an der Uni! Was denkt er, wo er da dran vorbeigeht, wenn er die Bibliothek betritt? An einer Verbrecherkartei!?« Hartmut schnauft, sieht mich an, als könne ich was dafür, und geht wieder arbeiten. Im Flur liegt ein Stapel Werbepost. Ein Weberknecht sitzt obenauf und sieht mich an. Ich gehe spielen.
    Zwei Level später klingelt es an der Tür, und benebelt von den diesigen Wäldern des Rollenspiels drücke ich die Playstation auf Pause und öffne. Der Mann, der dort steht, kommt von der GEZ. Er fragt, ob er reinkommen dürfe, während er reinkommt und Wohnzimmer, Küche, Bad und Flur durchquert. Dann fragt er mich, ob ich hier alleine wohne, und dreht sich, ohne die Antwort abzuwarten, Richtung großes

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