Hauptsache, es knallt!
Agententhriller:
»Sir, könnte ich Sie bitte einen Moment sprechen?«
»Wenn es sein muss. Warum zur Hölle nennen Sie mich Sir ?«
»Lächerlich, zugegeben. Aber ich würde Sie trotzdem gern sprechen.«
Okay. Kein guter Anfang. Aber ich kann mich ja steigern.
»Hören Sie, ich habe zu tun.«
»Das haben wir bemerkt. Darf ich fragen, wie Sie dazu kommen, sich in eine Hochzeitsgesellschaft zu drängen und den Damen unter den Rock zu fotografieren?«
So sieht es nämlich aus. Perverses Schwein. Das hier soll Janinas Traumhochzeit werden, und ich werde nicht zulassen, dass …
»Man hat mich als Hochzeitsfotografen engagiert.«
»Ach ja? Wer hat Sie denn engagiert?«
»Markus Mitscherlich. Das ist der Bräutigam, falls es Sie interessiert.«
»Oh … Ausgezeichnet. Ähm, und haben Sie weiterhin die Absicht …?«
»Wer sind Sie eigentlich?«
»Ich … ich bin hier für den reibungslosen Ablauf zuständig und …«
»Ich sage es Ihnen gleich, wenn Sie mir reinreden wollen, wie ich meine Fotos zu machen habe, packe ich ein und gehe.«
»Aber …«
»Ich bin Künstler. Ich mache den Quatsch hier nur, weil Markus mich darum gebeten hat. Und er kann gottfroh sein, dass er morgen von mir nicht den üblichen Hochzeitsmist präsentiert bekommt, sondern endlich mal ein paar ungewöhnliche Blickwinkel. Geht das in Ihren Schädel rein, Mister reibungsloser Ablauf?«
»Schon gut, schon gut. Bitte nicht so laut.«
»Wenn Sie noch einmal näher als fünf Meter an mich herankommen, dann hören Sie, was richtig laut ist!«
»Verstehe. Ich verschwinde dann wohl mal be…«
»Und dann auch noch Ihr Hemd und Ihr Schlips!«
»Wie meinen?«
»Die Farbwirkung! Nicht zum Aushalten! Schon mal was vom lumometrischen Kehrkontrast gehört? Nein, natürlich nicht! Gehen Sie mir bloß aus den Augen, Sie vollignorante optische Pest!«
Ich spaziere lächelnd durch die Menge, als wäre nichts gewesen. Jil und Patrick sehen mich fragend an, und ich winke müde ab. Sobald die erste Großtante dem durchgeknallten Künstlerfotografen eins mit der Handtasche überbrät, hat sich das Problem hoffentlich von selbst gelöst.
Das Meer vor Moses
Alte Damen sind heute auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Echt jetzt. Die finden es sogar lustig, dass der Fotografenheini ihnen unter den Rock fotografiert, und fangen an, mit ihm zu flirten. Das findet aber wiederum der Fotografenheini nicht so lustig. Die Motive sollen ja nicht auf das kunstschaffende Medium reagieren, oder so ähnlich. Jedenfalls ist er nach einigem Rumgefluche auf einen Mauervorsprung geklettert und fotografiert seitdem junge Männer auf den Scheitel. Witzig. Alte Frauen unter den Rock, junge Männer auf den Scheitel, ich verstehe langsam, wie Fotokunst funktioniert. Aber egal jetzt. Viel wichtiger: Das Taxi mit Henriette und Bülent samt Trauzeugen Kurt Langmuth fährt gerade vor.
Die Türen werden geöffnet. Schon wieder wow! Henriette trägt ein strahlend blaues Kleid mit Rüschenärmeln und hat sich einen neckischen Haarkranz geflochten. Was für eine Erscheinung. Und Bülent ist auch nicht schlecht. Sein schwarzer Anzug liegt gewagt eng an, aber er kann so was tragen, finde ich. Doch der optische Höhepunkt ist eindeutig Trauzeuge Kurt. Er steckt in einem perfekt sitzenden grauen Cut aus dem Festtagsklamottenverleih und läuft in richtig eleganten, auf Glanz polierten schwarzen Schuhen. Und seine langen Haare wurden von Henriette rigoros in Form gelegt. So rigoros, dass er nichts mehr daran kaputtmachen kann, obwohl er sich dauernd ungläubig mit den Händen durch den ungewohnten Kopfputz fährt.
Ich muss lachen. Der gute Kurt ist ein wichtiger Mann in meinem Leben. Wie gesagt, ich fühle mich wohl in Salzminden, weil sich hier nie was ändert und so. Aber manchmal springt mich dann doch dieses blöde Gefühl an, dass das wahre Leben ganz woanders abläuft. Und dagegen hilft nichts besser, als zusammen mit Kurt ein paar alte Hollywoodstreifen aus seiner DVD-Sammlung anzuschauen. Irgendwas mit Humphrey Bogart, Gary Cooper und den ganzen Nasen. Das bringt jedes Mal so viel große, weite Welt in meinen Kopf, dass es wieder für lange Zeit reicht.
Kurt sieht uns, winkt und stolpert erst mal über seine ungewohnt langen Schuhspitzen. Zum Glück war es nur ein sehr gewöhnlicher Stolperer, keiner von der Güteklasse, die mich zum Lachen bringt. Und seine Begleiter sind wirklich auf Zack. Bülent verhindert, dass er auf der Nase landet, und Henriette
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