Haus der bösen Lust (German Edition)
Donnergrollen.
Beide lachten über den Zufall. »Ist das nicht passend?«, meinte Dominique.
»Genau, was ich brauche. Eine dunkle, stürmische Nacht.«
»Ich schwör’ dir, die Wetterleute werfen Münzen für ihre Vorhersagen. Die Prognose hieß sonnig und heiter für die ganze Woche.«
Ein weiteres lautes Grollen hörte sich näher an. Nur Sekunden danach verhüllten die Wolken den Mond völlig.
Collier gefiel das nicht.
Als der Wind heftiger durch die Straßen fegte, war er sicher, eine Stimme rufen zu hören: »Hier drüben!« Oder etwas Ähnliches. Es klang wie die Stimme eines jungen Mädchens.
Dominique verlangsamte die Schritte und blickte zum Wald hinunter.
»Du hast die Stimme auch gehört, oder?«
»Welche Stimme?« Eindringlich starrte sie hinab. »Eine Stimme habe ich nicht gehört, aber ... irgendein Geräusch kommt von dort unten, glaubst du nicht auch?«
»Entlang der Waldlinie verläuft ein Bach ...«
»Gehen wir und sehen wir ihn uns an.«
Colliers Körper versteifte sich. »Nein, das ist verrückt. Dort unten ist es inzwischen stockfinster, außerdem kann jede Minute ein Unwetter losbrechen.«
Als der Wind stärker wurde und den Hang hinauffegte, vermeinte Collier, einen Hund bellen zu hören ...
Dominique blieb stehen. »Was war das?«
»Raschelnde Blätter ...«
»Hat sich eher wie ein Hund angehört.«
Collier zog an ihrer Hand. »Gehen wir einfach rein.«
Donner grollte, dann zuckte ein greller Blitz über den Himmel. Sintflutartiger Regen brach los, als sie die Eingangsstufen der Pension hinaufrannten. Collier fühlte sich gleichzeitig durchfroren und verschwitzt. »Gerade noch geschafft.« Er griff nach der Tür.
Dominique zog an seiner Hand. »He. Alles in Ordnung?«
»Ja, klar ...«
»Justin, du zitterst ja.«
Tat er das? »Mir ... mir ist kalt, das ist alles. Vom Regen.«
Sie wirkte überzeugt, als er die Tür für sie aufhielt. Das Letzte, was er wahrnahm, bevor er eintrat, war die große, knorrige Eiche im Vorgarten. Ein Blitz zuckte und tauchte die abgestorbenen Äste des Baums in ein knochiges Weiß, sodass sie wie missgebildete, skelettartige Gliedmaßen aussahen.
Collier zog die Tür zu.
Die Vorhalle präsentierte sich hell vor Lichtern, doch die Leere des großen Raums fühlte sich falsch an. »So spät ist es doch noch gar nicht«, stellte Dominique fest. »Wo sind denn all die Gäste?«
Collier mied den Anblick des großen Porträts von Harwood Gast. Ihm kam der Gedanke, dass die Augen auf dem Gemälde direkt auf den Baum draußen gerichtet waren, an dem sich der Mann erhängt hatte.
Ein Klappern erschreckte sie beide.
Lottie stand in der Ecke und hantierte an etwas herum.
»Hallo, Lottie«, begrüßte Collier die junge Frau.
Sie schaute herüber, lächelte kurz und winkte.
Dominique und Collier gingen zu ihr und sahen, dass sie den Beutel eines Staubsaugers wechselte.
»Sind alle Gäste schon so früh im Bett?«, erkundigte sich Dominique.
Lottie schüttelte den Kopf und deutete in Richtung der Stadt.
Dem Moment haftete etwas Betretenes an. Lottie wirkte zerstreut, nicht wie das übliche Energiebündel.
»Gute Nacht, Lottie«, sagte Collier.
Sie winkte, ohne zu Dominique und ihm aufzuschauen.
»Merkwürdig«, flüsterte Dominique, als sie sich entfernten. »Heute Abend kommt sie mir richtig fremd vor. Sonst ist sie völlig hyperaktiv ...«
Abermals blieb Dominique stehen und zog an Colliers Hand.
Sie schaute zu dem alten Schreibtisch.
Wahrscheinlich erinnert sie sich gerade daran, was sie bei dem Empfang gesehen hat, vermutete Collier. Einen Mann, der Windom Fecory unangenehm stark geähnelt hatte. Dieser weitere Zufall ließ Collier einen Schauder über den Rücken kriechen.
An demselben Schreibtisch hatte er die alten Schecks gefunden.
Alle von Fecory unterschrieben, und zwar an dem Tag, an dem sich Gast im Jahr 1862 erhängt hat.
Dann wanderte Dominiques Blick die Wand der Nische empor zu dem kleinen Porträt von Penelope.
»Da ist sie«, murmelte Dominique.
Das alte Gemälde wirkte lebendiger, als Collier es in Erinnerung hatte, auf gespenstische Weise detailreicher, als es sein sollte. Noch beunruhigender fand er, dass die sanften und doch verführerischen Züge der Frau exakt den alten Daguerreotypien glichen, die ihm gezeigt worden waren.
Ein Blitz zuckte hinter den hohen Fenstern, und weiterer Donner krachte.
»Das ist lächerlich«, murrte Dominique.
»Was?«
»Jetzt bekomme ich es mit der Angst zu tun.«
Collier zog an
Weitere Kostenlose Bücher